Am Wochenende gab es gleich zwei Schicksalswahlen: in Österreich und in Italien... Das erste Ergebnis hat noch für allgemeines Aufatmen gesorgt: Der nächste österreichische Präsident wird Alexander Van der Bellen. Der frühere Grünenchef ließ den Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ überraschend weit hinter sich.
Die EU-Verantwortlichen reagieren mit bemerkenswert unverhohlener Erleichterung und es wird tatsächlich ziemlich Klartext geredet. Beispiel: Der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz schrieb am Abend auf Twitter: "Van der Bellens Sieg ist eine schwere Niederlage für Nationalismus, Rückwärtsgewandtheit und antieuropäischen Populismus".
Und auch EU-Ratspräsident Donald Tusk hält nicht hinterm Berg mit seiner Freude über den Sieg Van der Bellens. "Es ist mir ein Vergnügen, meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Wahl als Bundespräsident der Republik Österreich zu übermitteln", sagte Tusk. Der Pole fügte hinzu: "Es sei wichtig, dass Österreich weiter in der Lage ist, konstruktiv bei der Suche nach gemeinsamen europäischen Lösungen zu helfen."
Der belgische Ex-Kommissar und EU-Abgeordnete Louis Michel schrieb, dass er erleichtert sei, dass die Rechtsextremen in Wien eine Niederlage kassiert haben. Allerdings, so fügte Michel hinzu: Das Wahlergebnis sei nichtsdestotrotz beängstigend und sollte allen Demokraten eine Lehre sein.
Inzwischen ist man in Brüssel also nicht mehr immer unbedingt "politisch korrekt" und diplomatisch. Man traut sich inzwischen, sich auch mal zu freuen, wenn in einem EU-Land ein Rechtspopulist eben nicht an die Macht kommt...
Mulmiges Gefühl
Das Aufatmen war dann aber nicht von langer Dauer: Am späten Sonntagabend gab es beunruhigende Signale aus Italien, wo Ministerpräsident Matteo Renzi nach einem verlorenen Referendum seinen Rücktritt ankündigte, nachdem die Bürger in einem Referendum seine Verfassungsreform abgelehnt hatten.
Offizielle Reaktionen von EU-Verantwortlichen oder von belgischen Politikern gab es bislang noch nicht. Aber man kann sich an den fünf Fingern abzählen, dass viele da doch ein mulmiges Gefühl bei dieser Geschichte haben. Jeder weiß, dass Italien im Moment eine politische Krise so nötig hat wie eine Lungenentzündung.
Der Zeitpunkt ist extrem ungünstig, um nicht zu sagen gefährlich. Die italienische Wirtschaft schwächelt. Außerdem ist die Staatsschuld noch größer als die belgische. Das ist selten genug, dass man es hervorheben muss: Die italienische Schuld beläuft sich auf 135 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - das ist enorm. Und obendrauf stecken einige große italienische Banken bis zum Hals in Problemen - besonders unter Druck stehen Traditionshäuser wie Unicredit oder die Banca Monte dei Paschi. Insgesamt sitzen italienische Banken auf einem enormen Schuldenberg. Man spricht von faulen Krediten mit einem Gesamtwert von rund 350 Milliarden Euro. Und wenn man sich diese Situation anguckt, dann weiß man: Da ist jede innenpolitische Krise Gift.
Hinzu kommt, dass Italien die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU ist. Die Gefahr einer neuen Schuldenkrise, bzw. Eurokrise ist da durchaus gegeben. Da sind sich alle Experten und Beobachter einig. Allerdings muss man sagen: Bislang reagieren die Finanzmärkte weltweit eigentlich noch eher besonnen. Größere Kursstürze hat es bislang nicht gegeben. Da richten sich wohl erstmal alle Augen auf den italienischen Staatspräsidenten Mattarella. Der hat immer noch die Möglichkeit, erstmal einen anderen Ministerpräsidenten einzusetzen. Es muss also nicht gleich zu einer ausgewachsenen Krise kommen.
Am Montagabend treffen sich übrigens die EU-Finanzminister in Brüssel. Da wird Italien mit Sicherheit Thema sein. Der wohl wichtigste von ihnen ist der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble - und der gab sich am Montagvormittag eher besonnen. Seine Botschaft lautet: Wir wollen uns nicht gleich verrückt machen lassen.
Nicht den Teufel an die Wand malen
Dennoch: Ist der Ausgang des Referendums in Italien nicht doch auch wieder eine Absage an die EU? Kann man das Abstimmungsergebnis nicht so deuten, dass die Bürger einmal mehr auch Europa eine Absage erteilt haben? Das kann man so oder so sehen. In der Tat: Es gibt Leute die sagen, dass die Bürger über das Referendum auch der EU einmal mehr die Rote Karte zeigen wollten. Fakt ist, dass z.B. die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, die die Renzis Verfassungsreform besonders vehement ablehnte, einen klar antieuropäischen Kurs fährt.
Einige EU-Politiker wollen sich diesen Schuh aber nicht anziehen. Altpremier Guy Verhofstadt z.B., der für die Liberalen im EU-Parlament sitzt, sagt: Man muss jetzt nicht überall gleich eine Rote Karte für Europa sehen. In Italien gings in erster Linie um Innenpolitik: Es war eine Abwahl für Renzi und auch für seine Verfassungsreform, die man durchaus kritisch sehen könne.
Fazit also: In Brüssel will man jetzt nicht gleich wieder den Teufel an die Wand malen. Zugleich sind sich aber alle darüber im Klaren, wie gefährlich die aktuellen Entwicklungen sein können.
Roger Pint - Bild: Andreas Solaro/AFP