Schock für Europa: Die Briten haben für den Austritt aus der EU gestimmt und stürzen den Staatenbund damit in die schwerste Krise seiner fast 60-jährigen Geschichte. In einem historischen Volksentscheid votierten 51,9 Prozent für den Brexit. Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent, insgesamt hatten sich 46,5 Millionen Wähler für die Abstimmung registriert.
Rechtsparteien in Europa jubilierten. Erste Forderungen nach Referenden in anderen EU-Staaten wurden laut. Der britische Rechtspopulist Nigel Farage, einer der populärsten Brexit-Befürworter, frohlockte: "Die EU versagt, die EU stirbt."
Auch dem Vereinigten Königreich selbst könnte ein Zerfall drohen. In Schottland und Nordirland bekommen Separatisten Aufwind, die für eine Abspaltung von Großbritannien sind und in der EU bleiben wollen. Bei dem Referendum hatten Schotten und Nordiren mehrheitlich für den Verbleib in der EU votiert.
Der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, plädierte für zügige Austrittsverhandlungen mit der EU. Artikel 50 des Lissabon-Vertrags, der dies regelt, müsse "jetzt angewendet werden", sagte er der BBC.
Mit Großbritannien verliert die EU die Finanzhauptstadt der Welt, seine zweitgrößte Volkswirtschaft und das Land mit der drittgrößten Bevölkerung. Zudem ist das Land - zusammen mit Frankreich - einer von zwei EU-Staaten mit Atomwaffen und Ständigem UN-Sicherheitsratssitz.
Cameron hatte das Referendum bereits 2013 vorgeschlagen - vor allem mit dem innenpolitischen Kalkül, EU-Kritiker in den eigenen Reihen ruhigzustellen. Diese Rechnung ging nicht auf. Zahlreiche Warnungen von Politikern aus der ganzen Welt, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von Wirtschaftsverbänden verhallten ungehört.
Brexit-Wortführer Boris Johnson, ein parteiinterner Rivale Camerons, argumentiert stattdessen, ein Austritt würde Londons Abhängigkeit von Brüssel beenden und dem Land seine Souveränität zurückgeben. Er sprach von einem "Unabhängigkeitstag" für Großbritannien.
Britischer Premierminister Cameron kündigt Rücktritt an
Der britische Premierminister David Cameron hat seinen Rücktritt für Oktober angekündigt. Er zieht damit Konsequenzen aus seiner Niederlage in der historischen Abstimmung über einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Cameron will noch bis Oktober im Amt bleiben. Austrittsverhandlungen mit der EU sollten anschließend mit einem neuen Premierminister beginnen. Cameron hatte für einen Verbleib des Landes in der EU geworben. Der Premierminister trat vor die Kameras, nachdem das offizielle Abstimmungsergebnis verkündet wurde.
Das Brexit-Votum hat zu heftigen Turbulenzen am Devisenmarkt geführt. Der Euro gab deutlich nach, das britische Pfund rutschte auf den tiefsten Stand seit 1985 ab. Der bevorstehende Austritt Großbritanniens habe das Vertrauen in den Zusammenhalt der Europäischen Union (EU) geschwächt, hieß es aus Handelskreisen. Der Euro verlor etwa 3,5 Prozent an Wert und fiel zwischenzeitlich bis auf 1,0913 US-Dollar. Das war der tiefste Stand seit März. Die panikartige Reaktion auf das Brexit-Votum sorgt vor allem beim Pfund für einen Ausverkauf. Die britische Währung fiel zwischenzeitlich unter 1,33 Dollar. Das war der tiefste Stand seit 1985.
Großbritanniens Außenminister Philip Hammond hält eine Stabilisierung der Finanzmärkte für die entscheidende Aufgabe nach dem Brexit-Votum in Großbritannien. "So viel wie möglich" müsse von den Handelsbeziehungen mit den EU-Ländern aufrechterhalten werden. Dies gelte auch für die Londoner City, einen der größten Finanzplätze der Welt. Nach Hammonds Auffassung werde Großbritanniens Stimme in der verbleibenden Zeit in der Union kaum noch Gehör finden. Großbritannien habe eine sehr gewichtige Stimme in der EU gehabt.
Petition für zweites Referendum gestartet
Zahlreiche Briten fordern nach dem knappen Sieg der Brexit-Befürworter eine zweite Volksabstimmung zur EU-Mitgliedschaft. Rund 60.000 Menschen unterzeichneten bis zum Vormittag online eine entsprechende offizielle Petition. Die britische Regierung beantwortet alle Anliegen, die auf mehr als 10.000 Unterschriften kommen. Bei mehr als 100.000 Unterschriften wird das Anliegen zur Debatte im Parlament vorgeschlagen.
Die Unterzeichner fordern ein zweites Referendum, wenn bei einer Wahlbeteiligung von bis zu 75 Prozent keine Seite mindestens 60 Prozent der Stimmen erreicht. Im Referendum am Donnerstag sprachen sich 52 Prozent der Wähler für einen Brexit aus - die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent.
Ausgang des Votums bis zuletzt ungewiss
Der Ausgang des Votums hing bis zuletzt am seidenen Faden: Umfragen hatten ganz überwiegend ein Kopf-Kopf-Rennen vorausgesagt, zuletzt mit Vorsprung für das "Remain"-Lager. Allerdings gab es erhebliche Unsicherheitsfaktoren: Rund zehn Prozent der Wähler waren bis zuletzt unentschlossen, für welche Seite sie sich entscheiden sollten.
Politiker aus der ganzen Welt, der Internationale Währungsfonds (IWF), Wirtschaftsverbände und Banker in London und in Festland-Europa hatten immer wieder vor dem Brexit gewarnt. Sie fürchteten im Falle eines Austritts globale Turbulenzen in der Wirtschaft und auf den Finanzmärkten. Auch deutsche Unternehmen waren besorgt.
Innerhalb der EU ging nicht zuletzt die Sorge um, dass ein Brexit Austrittsbegehren auch in anderen Ländern der EU fördern könnte. Cameron hatte sich im Wahlkampf stark auf Warnungen vor massiven Einbußen im Falle eines Brexits konzentriert. Er drohte sogar damit, notfalls müssten Rentenkürzungen hingenommen werden.
Das Brexit-Lager bezeichnete solch düsteren Szenarien als Panikmache. Brexit-Wortführer Johnson argumentiert stattdessen, ein Austritt würde Londons Abhängigkeit von Brüssel beenden und dem Land seine Souveränität zurückgeben. Er sprach von einem "Unabhängigkeitstag" für Großbritannien. Außerdem gebe es innerhalb der Gemeinschaft keine Chance, die Einwanderung aus der EU zu begrenzen. Kritiker warfen Farage und Johnson dagegen vor, das Reizthema Migration zu missbrauchen, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren.
EU schockiert über Brexit-Entscheidung
Die Brexit-Auszählung hatte so manch einem bei der EU eine schlaflose Nacht bereitet. Bis zuletzt hatte man in Brüssel auf ein kleines Wunder gehofft - auf ein "Ja" der Briten. Aus EU-Sicht droht der Albtraum jetzt aber Realität zu werden: Angesichts des Austrittswunschs der britischen Bevölkerung dürfte der Schock umso größer ausfallen. Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union wollen die Bürger eines Mitgliedslandes mehrheitlich den Staatenbund verlassen.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat Großbritannien im ZDF eine schwere Zeit prognostiziert: "Es ist jetzt Klarheit. Das Vereinigte Königreich hat sich entschieden auszutreten. Das bedeutet, dass es einen eigenen Weg gehen wird. Ich glaube, die ökonomischen Daten heute Morgen zeigen, dass es ein sehr schwieriger Weg werden wird und für die restlichen Mitgliedsstaaten der EU heißt das, dass wir die notwendigen Reformen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen die Steuerflucht, die Bewältigung der Migrationsprobleme gemeinsam anpacken müssen."
Nach dem britischen Ja zum EU-Ausstieg ist das Europaparlament zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Die Abgeordneten beraten seit dem Vormittag das Ergebnis des Referendums. Laut EU-Parlamentspräsident Martin Schulz soll dabei eine Resolution verabschiedet werden. Am Nachmittag kommen auch die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem zweitägigen Gipfel zusammen. Am Dienstag soll es in Brüssel einen EU-Krisengipfel geben.
EU-Konservative fordern schnellen Ausstieg Großbritanniens
Die Konservativen und Christdemokraten im Europaparlament haben nach dem historischen Brexit-Votum einen schnellen Ausstieg Großbritanniens aus der EU gefordert. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, sagte im Brüsseler EU-Parlament, wenn die Briten raus wollen, dann müssen sie raus, und das müsse schnell passieren.
Führende Parlamentarier traten am Sitz des EU-Parlaments zu Krisenberatungen zusammen. In einem Radiointerview sprach sich Weber für eine EU-Reform für mehr demokratische Legitimation der Entscheidungen aus. Deswegen müssten künftig mehr Entscheidungen im Europäischen Parlament fallen. Zudem sei ein "klarer Aufgabencheck" nötig, wofür Europa gebraucht werde. Weber nannte hier als Beispiel eine bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror.
Die Aktienmärkte zeigten, dass Großbritannien der Verlierer sei, nicht die EU, so Weber weiter. Den britischen Politikern warf er Versagen vor. Premier David Cameron etwa habe jahrelang Kampagnen gegen Brüssel gemacht. Drei Monate vor der Wahl habe er sich dann für einen Verbleib in der EU stark gemacht - "das ist unglaubwürdig".
Brexit: Premier Michel wiederholt Forderung nach EU-Konklave
dpa/alk/sh/sr - Bild: Niklas Hallen/AFP
Da hat alles nichts genützt: "Scharfe" Warnungen, das in-die-rechte-Ecke-stellen, die Vorankündigung des Weltuntergangs oder der erhobene Zeigefinger der EWG- Kurfürsten von Gottes Gnaden. Eine, wenn auch knappe Mehrheit, hat sich für den Austritt aus Großeuropa entschieden- Volkes Wille, mit aller Konsequenz.
Es ist ein schlechtes Zeugnis für eine immer schwerer zu kontrollierende, ungehemmt wachsende "EU" in der jede Art von Demokratie, von Volksherrschaft und damit von Legitimation fehlt, sieht man mal von dem Scheinparlamet ab. So etwas ist auf Sand gebaut und kann nicht lange halten. Die so genannte EU ist immer noch eine EWG, eine Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Schwerpunkt auf Kapitel und Wirtschaft; Bürger und ihre Rechte kommen hier nur am Rande vor.
Juncker sagte, ein Austritt aus der EU könne auch bei anderen Ländern „Lust auf mehr machen“. Recht hat er- ich will auch ein Votum! Für ein besseres, demokratisches Europa!
Ja, in Belgien sollte sich solch eine Abstimmung gemacht werden....
Ach, was sage ich: wir leben ja in einer versteckten Diktatur...
Die Bürger haben ja schon lange nichts mehr zu sagen
Nach dem Stalinismus scheitert nach weiteren 30 Jahren nun endlich der Kapitalsimus. Raus aus der EU! Raus aus der NATO! Faschismus und Kapitalismus die Rote Karte zeigen!
Wehe! wehe!...
...Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
An welcher Stelle ist der Verfasser des Artikels nicht mitgekommen?
Nur ein paar Beispiele:
* Cameron droht mit EU-Austritt - Spiegel Online (18.01.2013)
* Cameron droht mit EU-Austritt, wenn Brüssel sich nicht beugt ...kurier.at (04.10.2015)
* Cameron setzt Brüssel unter Druck und droht mit EU-Austritt - Die Welt (10.11.2015)
* Grossbritannien droht mit EU-Austritt ... aargauerzeitung.ch (17.02.2016)
Cameron jetzt als großen "Befürworter" für einen Verbleib in der EU darzustellen, scheint mir da dann doch etwas weit her geholt.
Es wird jetzt etwas schwieriger, mit der ewigen "Rosinen-Pickerei", was die EU betrifft.
Tja, ich nehm" mal an das jetzt bei einigen Großkopfeten der Politik gewaltiges Muffensausen herrscht, ob der Frage, wollen jetzt eventuel andere EU Bürger auch ein Referendum, dann nämlich sind Riesengehälter & Subventionen auf einmal ARG gefährdet - aber solange die da "OBEN" was zu sagen haben, werden wir mit "Panem et circences" kleingehalten & funktionniert das nicht mehr nach Wunsch kommt "Diviser pour régner" an die Reihe - Flamen & Wallonen zeigen uns wie sowas geht. Seit der Schaffung der Regionen, geht's mit dem Föderalstaat ständig bergab, oder kann mir jemand da das Gegenteil beweisen? Ich persönlich würde mich darüber freuen.
Besser ein Europa kleiner aber freier Nationen aus Schotten, Schlesiern, Basken Tirolern und Katalanen als das Monster, was 1933 schon mal einer wollte....