Es war schon spät am Samstagabend, als der Jury-Vorsitzende Bernard Foccroulle den Gewinner des diesjährigen Königin-Elisabeth-Wettbewerbs verkündete. Und der Name Taehan Kim mag überraschen, wenn man bedenkt, dass der 22-jährige Koreaner der jüngste Teilnehmer überhaupt am diesjährigen Concours Reine Elisabeth war. Allerdings hat der Student aus Seoul im Verlauf aller drei Runden des Wettbewerbs die Jury mit einem abwechslungsreichen Programm überzeugt und stand am Samstag in Brüssel verdient auf dem Siegerpodest bei einem der wichtigsten Solistenwettstreite der Welt. Begleitet vom Orchester der Brüsseler Monnaie-Oper unter Dirigent Alain Altinoglu sang er im Finale Opernarien von Richard Wagner, Gustav Mahler, Giuseppe Verdi und Erich Wolfgang Korngold und konnte damit die Jury von seinen Qualitäten überzeugen.
Rein statistisch gesehen ist ein koreanischer Sieg übrigens keine Überraschung, da Südkorea in allen Runden des Wettbewerbs die übergroße Mehrheit der Teilnehmer stellte. Auch im Finale stammte ein Viertel der Kandidaten aus dem asiatischen Land - übrigens allesamt Männer -, und zwei von ihnen landeten auf den ersten sechs Plätzen.
Den zweiten Platz im Finale belegte die farbige Amerikanerin Jasmin White. Von Anfang an war sie die einzige Alt-Sängerin unter allen 40 Damen im Wettbewerb, und vor allem in der Vorrunde und im Halbfinale begeisterte sie Publikum und Jury gleichermaßen mit ihrer warmen Stimme und mit ihrer Art, sich in ihre Rolle hineinzuversetzen. Im Finale sang sie neben Arien von Gustav Mahler und Gioacchino Rossini einen Auszug aus Richard Wagners Oper "Das Rheingold".
Auf den Plätzen drei bis sechs folgen die russisch-deutsche Sopranistin Julia Muzychenko-Greenhalgh, die Französin Floriane Hasler, der Koreaner Inho Jeong und die nach Taehan Kim zweitjüngste Finalistin, die Französin Juliette Mey.
Die beiden Publikumspreise der Klassiksender Musiq3 und Klara gingen an Jasmin White beziehungsweise an die Portugiesin Sílvia Sequeira, die nicht auf einem der vorderen Plätze landen konnte.
Insgesamt hatten sich 412 Sängerinnen und Sänger um eine Teilnahme beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb 2023 beworben, eine absoluter Rekord. 55 von ihnen wurden dann von der Jury ausgewählt, um in den öffentlichen Runden gegeneinander anzutreten, aber am Ende konnte nur einer ganz oben auf dem Treppchen landen.
Mit Taehan Kim gewinnt nach 2022 übrigens erneut ein Koreaner den Concours Reine Elisabeth; im vergangenen Jahr war es ja die Cellistin Hayoung Choi, die alle anderen Teilnehmer hinter sich lassen konnte. Seien wir gespannt, ob der koreanische Vormarsch auch 2024 weitergeht, wenn der Königin-Elisabeth-Wettbewerb dann für Violine ausgetragen wird.
Patrick Lemmens