Frauen im Motorsport sind nach wie vor ziemlich selten. So selten, dass eine große Blonde inmitten von einem Rudel männlicher Fahrer sofort ins Auge fällt. "Aber so war es nicht immer", sagt Sarah Bovy. "An mir war ein Junge verloren gegangen, von weitem konnte man mich nicht von den Jungs unterscheiden." Noch heute trägt sie lieber Turnschuhe als High Heels. Die holte sie nur für die Saisonvorstellung diese Woche in Brüssel aus dem Schrank.
Sarah Bovy ist in der Motorsportwelt aufgewachsen, hat unter anderem zwei Jahre als Mechanikerin gearbeitet. In dieser Männerdomaine fühlt sie sich wohl. Obschon sie immer erst einmal beweisen muss, dass sie ihren Platz verdient hat. "Das ist am Anfang immer schwierig, das weiß ich aus Erfahrung", sagt Sarah Bovy.
"Bei 250 km/h zwischen 40 Männern - und darunter gibt es dann doch den ein oder anderen Macho - Gas zu geben, das flößt mir natürlich Respekt ein. Bei den ersten Rennen muss ich mir meinen Platz im Feld erkämpfen. Aber danach ist es dann so, dass wir den Helm aufziehen und alle mal gleich sind. Einfach nur Rennfahrer", sagt Sarah Bovy.
Im Auto ändert es ihrer Meinung nach nichts, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Allerdings trainiert sie hart, um körperlich mithalten zu können. Und ein kleiner Unterschied fällt ihr dann doch ein: "In einer Stresssituation treibt mich nicht das ganze Testosteron nach vorne, grinst Sarah Bovy. Ich halte mich dann einfach aus der Kollision heraus."
Zwei Seiten der Medaille
Dass sie auffällt, stört sie wenig. Im Gegenteil - sie macht sich ihren Sonderstatus zu nutzen. "Eine Frau bekommt in der Motorsportwelt viel Aufmerksamkeit von der Presse und von Sponsoren. Die andere Seite der Medaille: Die geringste Dummheit fällt ebenfalls besonders auf. Wenn ich mich auf der Strecke drehe, kriegt das einfach jeder mit."
Das Rennfieber hat Sarah Bovy mit zwölf Jahren gepackt. Ihr Vater Quirin Bovy war auch Rennfahrer. "Aber ihm wäre es lieber gewesen, ich hätte die Finger davon gelassen", lacht Sarah Bovy. "Denn damals haben ziemlich viele Probleme angefangen. Aber natürlich bin ich durch meinen Vater mit der Motorsportwelt in Kontakt gekommen. Als ich das erste Mal in einem Kart gesessen habe, wusste ich sofort: Das ist genau das, was ich machen will."
Dabei geht es ihr gar nicht so um Geschwindigkeit oder PS, sondern um den Kampf im Feld, Tür an Tür. Faszinierend findet sie die gewisse Intelligenz, die ein Rennfahrer braucht. "Zum einen eine Strategie für Langstreckenrennen entwickeln zu können - aber auch, im alles entscheidenden Moment einfach alles aus sich herauszuquetschen."
Neue Heimat Lamborghini
Frauen, die die Männerwelt aufmischen - Lamborghini hat diese "Marktlücke" für sich entdeckt und setzt verstärkt auf das weibliche Geschlecht. "Aber es geht nicht darum, einfach nur eine Frau in ein Auto zu setzen", erklärt Sarah Bovy. "Lamborghini will echte Fahrerinnen, die den Job auch ernst nehmen. Es gibt viele Frauen, die sich für Motorsport interessieren. Aber dass sie das dann auch wirklich durchziehen, passiert noch nicht so oft."
Sarah Bovy fährt dieses Jahr einen Lamborghini Huracan LP 620-2 in der europäischen Super Trofeo. Es ist das erste Mal, dass sie eine komplette Saison auf internationaler Bühne bestreitet. Los geht es am 23. April in Monza, nach vier weiteren Rennen steigt Ende November das Finale in Valencia, bei dem die Serien aus Asien und Nordamerika hinzukommen und der Super-Trofeo-Weltmeister ermittelt wird.
Highlight für Sarah Bovy ist aber der Auftritt der Serie im Rahmen der 24 Stunden von Spa, bei denen sie schon drei Mal selbst gestartet ist. Sie hofft, auch dieses Jahr vielleicht noch einen Platz im 24-Stunden-Rennen zu ergattern, ist aber auf jeden Fall bei dem Lamborghini-Rennen davor dabei. "Ich bin also auf jeden Fall ein Teil des Fests; Es ist immer ein ganz besonderes Wochenende."
Das Saisonziel: Siege einfahren. Das Team Leipert war schonmal Champion, und auch ihr Teamkollege Ben Gersekowski aus Australien hat sein Tempo schon unter Beweis gestellt. "Wir sind nicht als Statisten hier", sagt Sarah Bovy selbstbewusst. Sie will beweisen, dass das Team zu Recht auf sie setzt. Und 2017 dann Werksfahrerin für Lamborghini werden.
Katrin Margraff