Tony Martin hat kein Glück bei dieser Tour de France. Nach dem verpatzten Einstieg beim Prolog verpasste er das gelbe Trikot mehrfach ganz knapp, zuletzt um eine Sekunde gegenüber Christopher Froome. Doch bei der Etappe von Seraing nach Cambrai gelang es ihm auf dem Kopfsteinpflaster dann doch die Führung zu übernehmen. Und jetzt, nach nur zwei Tagen in Gelb, dieser Sturz, den er allerdings selbst zu verantworten hatte. In der letzten Steigung vor dem Ziel verlor Tony Martin das Gleichgewicht und riss seine Konkurrenten Nibali, Quintana und Van Garderen mit zu Boden. Alle erreichten das Ziel erst mit zwei Minuten Verspätung. Dennoch werden sie in der Gesamtwertung keine Zeit verlieren, weil der Massensturz innerhalb der letzten drei Kilometer passierte. In diesem Fall sieht das Reglement vor, das es keine Zeitunterschiede mehr geben kann.
Als ein kleiner Cauberg, so war die letzte Schwierigkeit der Etappe von Abbeville nach Le Havre beschrieben worden. Und wie im legendären Cauberg des Amstel Goldrace fiel auch bei der Tour de France die Entscheidung über den Tagessieg in dieser Côte d'Ingouville kurz vor dem Ziel.
Der Radcross-Spezialist Zdenek Stybar war in dieser sieben-prozentigen Steigung von einer Länge von 900 Metern derjenige, der sich die Kräfte am besten einzuteilen wusste und der im richtigen Moment seinen entscheidenden Angriff fuhr. Stybar gewann im Alleingang. Der Sprint um Platz 2 ging an den Slowaken Peter Sagen, der damit schon zum zwölften Mal den undankbaren zweiten Platz bei einer Tour-Etappe belegte.
Hinter John Degenkolb fuhr Greg Van Avermaet erneut auf einen hervorragenden vierten Platz.
188 Fahrer waren am Donnerstagmittag in Abbeville am Start. Die sechste Etappe nach Le Havre war 191 Kilometer lang, davon gut 120 Kilometer entlang der Atlantikküste. Ein Hauch von Sommerurlaub in der Normandie lag in der Luft, doch am Ende der Etappe war es wieder genau so hektisch wie bislang an jedem Tourtag seit dem Start in Utrecht.
Für Tony Martin ist die Tour zu Ende. Der Verdacht auf Schlüsselbeinbruch bestätigte sich am Donnerstagabend. Bereits am Freitag soll Martin in Hamburg operiert werden.
Auf der siebten Etappe am Freitag bietet sich den Top-Sprintern vorerst die letzte Chance auf einen Tagessieg. Auf dem Weg von Livarot nach Fougères über 190 Kilometer wartet nur am Anfang eine Steigung der vierten Kategorie, ansonsten geht es ausschließlich über flaches Terrain. Danach dürften die reinen Sprinter erst wieder auf der 15. Etappe zum Zug kommen.
Foto: Dirk Waem/Belga