Chris Froome schüttelte den Kopf, dann stieg der Vorjahressieger mit schmerzverzerrtem Gesicht ins Begleitauto und beendete seine persönliche Tour der Leiden. Auf dem harten Asphalt ist für den britischen Vorjahressieger am Mittwoch der Traum von der Titelverteidigung bei der 101. Frankreich-Rundfahrt geplatzt. Nach einer Sturzserie im strömenden Regen war eine Weiterfahrt für den Briten nicht mehr möglich. Das Drama, das die Veranstalter mit der gefürchteten Kopfsteinpflaster-Etappe von Ypern nach Arenberg erreichen wollten, erlebten sie auf tragische Weise schon vor dem Showdown.
Seit der Rückkehr aus England war es für Froome eine Tour zum Vergessen. Bereits auf der vierten Etappe nach Lille war der schmächtige 29-Jährige schmerzlich zu Boden gegangen. Dabei hatte er Prellungen an der linken Hand und Abschürfungen an Knie und Oberschenkel erlitten. Daraufhin war er mit einer Manschette an der Hand zur fünften Etappe angetreten, wirkte am Start aber alles andere als zuversichtlich. "Ich habe Schmerzen", gab er zu Protokoll.
Und die Schmerzen wurden auf der von Dauerregen begleiteten Etappe durch die "Hölle des Nordens" kaum weniger. Bereits nach 32 Kilometern stürzte Froome auf spiegelglattem Asphalt erneut, diesmal auf die rechte Seite. Er raffte sich aber noch einmal auf und kämpfte sich ins Feld zurück, ehe sein zweiter Sturz 66,8 Kilometer vor dem Ziel das endgültige Aus bedeutete.
Dramatische Etappe
Viele Profis hatten vor einem solchen Streckenabschnitt in einer Drei-Wochen-Rundfahrt gewarnt und von Unverantwortlichkeit gesprochen. Zu den größten Skeptikern gehörte Tony Martin, der am Mittwoch einen Ausreißversuch startete, dabei aber auch zu Fall kam. Es war einer von zahlreichen Stürzen dieser dramatischen Etappe. Denn was sich nach dem Sturz von Froome auf den sieben Kopfsteinpflaster-Passagen aus den Zeiten Napoleons abspielte, hatte mit Radsport nicht mehr viel zu tun. Die matschigen Feldwege waren völlig überflutet, tiefe Schlaglöcher gar nicht mehr sichtbar.
Nach dem Aus von Froome scheint der Weg für die als Mitfavoriten gestarteten Alberto Contador (Spanien) und Vincenzo Nibali (Italien) frei zu sein. Für das britische Sky-Team endete die Mission dritter Tour-Sieg in einem einzigen Desaster. Der Rennstall hatte ganz auf die Karte Froome gesetzt und Bradley Wiggins, den Champion von 2012, daheim gelassen. Der Routinier wäre in Arenberg dringend gebraucht worden, schließlich hatte er noch im Frühjahr mit Platz neun beim Klassiker Paris-Roubaix seine Rennhärte auf diesem Terrain bewiesen.
Doch Froome, der nicht das beste Verhältnis zu Wiggins pflegt, hatte sich gegen den Zeitfahr-Olympiasieger durchgesetzt. Er war mit dem Ziel angetreten eine neue Ära einzuleiten und als erster Fahrer seit den dunklen Armstrong-Jahren seinen Gesamtsieg erfolgreich zu verteidigen. Doch die gesamte Saison lief nicht nach Plan. Immer wieder war er durch gesundheitliche Rückschläge und Stürze zurückgeworfen worden. Noch Anfang Juni war er beim Critérium du Dauphiné schwer gestürzt.
Für die neue Radsport-Großmacht England, die beim Auftakt auf der Insel noch drei stimmungsvolle Tage erlebt hatte, kam es sportlich bei der Tour ganz dick. Schon nach der ersten Etappe war für Ex-Weltmeister Mark Cavendish nach einem Sturz mit Bänderrissen in der Schulter und einer Eckgelenksprengung das Rennen beendet.
Stefan Tabeling und Andreas Zellmer, dpa/wb - Bild: Eric Lalmand (belga)