So etwas haben die Eupener noch nicht gesehen: Ein Autokorso hupender und fahnenschwingender Fußballfans - und das obwohl das Spiel noch gar nicht angepfiffen wurde. Am Mittwochabend antworteten die ostbelgischen Fanclubs der Roten Teufel so auf den "Défi des Diables". Ehe sie selbst nach Schottland aufbrachen.
Auch sonst sind die Begeisterung und ein neues Selbstbewusstsein spürbar: Ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass auf den Schulhöfen zwischen den Bayern-, Dortmund- oder Schalke-Trikots immer öfter eines der Nationalmannschaft auftaucht.
Und das tut man in diesem Alter nicht, um sich zu blamieren. Auslöser ist der sportliche Erfolg - nie zuvor waren die Roten Teufel so gut aufgestellt (und die Zukunft verheißt noch mehr). Nach dem Marktwert der einzelnen Spieler ist Belgien jetzt schon in der Weltspitze.
Die große Leidenschaft der Fans hat aber noch andere Gründe: Da ist zuerst die lange Durststrecke seit dem letzten großen Turnier 2002. Da ist die entspannte Haltung des kleinen Außenseiterlandes, das schnell zufrieden ist. Wenn es aber klappt mit dem großen Erfolg, kennt die Begeisterung keine Grenzen - allen voran in den Medien.
Politisches Bekenntnis
In einem Land, das oft zerstritten ist, wird darin gerne auch mehr gesehen, im Sinne eines politischen Bekenntnisses. Gerade in Ostbelgien trägt man das gerne vor sich her. Auch die zentralen Identifikationsfiguren des Nationalteams spielen auf dieser Klaviatur: Mannschaftskapitän Vincent Kompany, der sich nicht scheut, NVA-Chef Bart de Wever per Twitter zu ärgern (wie nach dem Heimsieg über Schottland). Oder Trainer Marc Wilmots, der nicht müde wird, an den Nationalstolz zu appellieren, und darum Spieler will, die sich auch "belgisch fühlen".
Zu erwarten, dass eine Qualifikation für die WM im Juni nächsten Jahres die Wahlen Ende Mai beeinflussen und eine erneute Regierungskrise abwenden könnte - das wäre aber zu viel Verantwortung auf seine breiten Schultern laden.
Der Druck ist so schon groß genug. Und darum hält Marc Wilmots den Ball flach. Nicht auszudenken, was wäre, wenn es noch schief ginge mit der Qualifikation. Die Begeisterung würde kurzfristig in Enttäuschung umschlagen. Die neue Fanerlebniskultur, die etwa auch die Bundesliga-Stadien ausfüllt, scheint aber so gefestigt, dass sie auch das überleben würde - aus lauter Freude an sich selbst. Und warum nicht, in diesem Fall, nach dem Vorbild der Schotten.
Bild: Dirk Waem (belga)