Der Beifallssturm der 80.000 verebbte urplötzlich, im Olympiastadion wurde es ganz still. Vor dem Startschuss zum vierten 100-Meter-Vorlauf schickte Usain Bolt einen beschwörenden Blick zum Himmel, als bräuchte er Hilfe von oben. Auf dem ersehnten Weg zum Dreifach-Gold wird sich der Jamaikaner ganz sicher steigern müssen. Der Weltrekordler erwischte in seinem ersten Olympia-Rennen einen Stolperstart, kam aber trotzdem im Schongang weiter. In 10,09 Sekunden joggte der 25-Jährige am Super-Samstag der Sommerspiele in London ins Halbfinale. Sein Weltrekord: 9,58.
"Es war ein schlechter Start. Meine Reaktion war gut, aber ich bin gestolpert", meinte Bolt nach seinem Vorlaufsieg. "Aber alles in allem war das in Ordnung, meine Beine haben sich gut angefühlt." Der dreimalige Peking-Olympiasieger war erleichtert, dass ihm das Missgeschick nicht im entscheidenden Rennen unterlief: "Ich bin froh, dass es jetzt passiert ist." Im WM-Finale von Daegu hatte der Top-Favorit vor einem Jahr für einen der spektakulärsten Fehlstarts der Leichtathletik-Geschichte gesorgt. Den Titel kassierte sein Landsmann und Trainingspartner Yohan Blake.
Die Zuschauer im ausverkauften Olympiastadion feuerten den Supersprinter aus Jamaika frenetisch an. Die Zeiten waren für Bolt und Co. zum Auftakt noch unwichtig, denn die ersten Drei jedes Vorlaufes kamen automatisch weiter. Weltmeister Blake ging ebenfalls auf Nummer sicher: Der mit 9,75 Sekunden schnellste Sprinter dieses Jahres qualifizierte sich in 10,00 für das Semifinale.
Bestens in Schuss präsentierte sich der Amerikaner Ryan Bailey. Mit der Vorlauf-Bestzeit aller Starter von 9,88 Sekunden ließ der 23-Jährige, Ende Juni überraschend Dritter bei den Trials in Eugene, auch seine Landsleute Justin Gatlin (9,97) und Tyson Gay (10,08) hinter sich. Die Halbfinals und der Endlauf über 100 Meter zählen am Sonntag zu den Höhepunkten der London-Spiele.
"Ich glaube, Usain wird gewinnen. Wenn alles normal läuft, ist er nicht zu schlagen", sagte Olympiasieger und Ex-Weltmeister Donovan Bailey der Nachrichtenagentur dpa. Sein Geld würde der in Jamaika geborene Kanadier auf den Favoriten Bolt aber trotzdem nicht setzen. "Nein. Ich wette nie!", versicherte der 44-Jährige.
dpa/fs - Bild: Jewel Samad (afp)