Bradley Wiggins will in London Olympia-Sieger im Zeitfahren werden, auf der Straße wohlgemerkt. Seine Goldmedaillen 2004 in Athen und 2008 in Peking holte der Brite auf der Bahn.
Dort begann seine Karriere 1998, als er mit dem britischen Nationalteam die Silbermedaille bei den Commonwealth-Spielen gewann. Den ersten Titel auf der Bahn holte Wiggins in der Einerverfolgung 2003, als er Weltmeister wurde.
Profi wurde Wiggins 2002, doch zunächst gewann er nur die Prologe der großen Rundfahrten. Erst 2009 entschloss er sich, intensiv für Straßenrennen zu trainieren. Er nahm etwa sechs Kilo ab und konnte jetzt auch in den Bergen mithalten. 2009 wurde er Vierter der Tour de France. Im vergangenen Jahr stürzte er früh und musste die Tour wegen eines Schlüsselbeinbruchs aufgeben. Doch in diesem Jahr war es soweit: Nach der siebten Etappe übernahm Bradley Wiggins das gelbe Trikot und gab es bis auf den Pariser Champs Elysées nicht mehr ab.
What about Froome?
Eigentlich eine perfekte Geschichte, wäre da nicht ein anderer Engländer namens Christopher Froome. Fünf Jahre jünger und in Kenia geboren, war Froome schon im vergangenen Jahr bei der Spanien-Rundfahrt in den Bergen schneller gewesen als sein Mannschaftskapitän Wiggins. Auch in diesem Jahr bei der Tour de France wäre Froome allen Konkurrenten in den Alpen und in den Pyrenäen davongefahren, hätte man ihn gelassen. Doch die Teamleitung der britischen SKY-Mannschaft entschied anders.
Ihr Masterplan lautete: Wiggins gewinnt die Einzelzeitfahren mit großem Vorsprung und braucht dann in den Bergen nur noch am Hinterrad der Konkurrenten zu bleiben, um die Tour zu gewinnen, genauso wie vor dem Briten dies schon der Spanier Indurain und der Franzose Anquetil vorexerziert hatten. In dieses Konzept passten keine unberechenbaren Angriffe eines Christopher Froome, die möglicherweise die Gesamtwertung gehörig durcheinander gewirbelt hätten. Froome wurde auf nächstes Jahr vertröstet, mit einem Scheck über sieben Millionen Euro, wie die britische Presse berichtete.
Ein echter Champion?
Ob Wiggins also ein großer Champion à la Eddy Merckx, Miguel Indurain oder Jacques Anquetil wird, mit fünf Tour de France-Siegen oder mehr, das wird sich erst nächstes Jahr zeigen, wenn es zu einem echten Duell zwischen Wiggins und Froome, zwischen Wiggins und Contador und, warum nicht, zwischen Wiggins und Andy Schleck kommen wird.
Dabei steht außer Frage, dass Bradley Wiggins schon jetzt als bester Radprofi des Jahres 2012 feststeht: Er gewann in diesem Jahr nicht nur die Tour de France, sondern auch schon Paris-Nizza, die Tour de Romandie und den Dauphiné. Und die Goldmedaille im Einzelzeitfahren bei den Olympischen Spielen am 1. August soll ja noch hinzukommen. Der Schweizer Fabian Cancellara und der Deutsche Tony Martin werden seine größten Gegner sein. Gegner, die ihm bei der Tour de France in seiner Lieblingsdisziplin nicht viel anhaben konnten.
Cancellara war nur beim Prolog der Tour de France in Lüttich sieben Sekunden schneller. Aber da galt es nur, 6,7 Kilometer zu absolvieren. In London geht es über 44 Kilometer, im Norden der Stadt, praktisch vor der Haustür von Bradley Wiggins. Die beiden Einzelzeitfahren dieser Länge hat der Brite bei der Tour de France überlegen gewonnen.
Bild: Jeff Pachoud (afp)