Charles Weerts aus Aubel ist zum sechsten Mal am Start bei den 24 Stunden von Spa. Bestes Ergebnis bisher ist der zweite Platz im Jahr 2021 mit Dries Vanthoor und Kelvin van der Linde, damals im WRT-Audi. Dieses Jahr startet Weerts wieder mit Dries Vanthoor und Kelvins Bruder Sheldon van der Linde. "Wir können die Namens-Aufkleber von damals recyceln", grinst Weerts.
Charles, in den letzten beiden Jahren hast du das Ziel nicht gesehen, jeweils nach Unfällen mit Schwesterautos. Wie schafft ihr es, dieses Jahr nicht in die Falle zu gehen?
Für die großen Langstrecken-Rennen gibt es eine lange Vorbereitung. Erfahrung und Professionalität des Teams helfen dabei, das Risiko solcher Zwischenfälle zu minimieren. Aber ein Rest-Risiko, in Unfälle verwickelt zu werden, bleibt immer. Das ist uns leider in den letzten Jahren passiert. Das war wirklich Pech – zwei Mal ein Unfall ganz ohne eigene Schuld. Aber gut, wir machen unsere Arbeit und hoffen dann, dass es dieses Jahr anders werden wird.
Spielen solche Unfälle eine Rolle beim nächsten Rennen, zumindest im Kopf?
Nein, daran sollte man nicht denken. Wenn man daran denkt, baut man wahrscheinlich den nächsten Unfall. Man muss zu hundert Prozent auf die Sache konzentriert sein. Wenn man an etwas anderes denkt als daran, was zu tun ist, ist man nicht hundertprozentig fokussiert und kann seine Arbeit nicht ordentlich machen.
Was macht für dich das Besondere an diesem Rennen aus?
Es ist einfach ein legendäres Rennen, und dazu noch das 100-jährige Jubiläum, das sagt ja wohl alles. Außerdem ist die Rennstrecke von Spa-Francorchamps ebenfalls eine legendäre Strecke, die zum Kalender der großen Rennserien zählt. Und außerdem ist es für mich besonders, weil es quasi vor meiner Haustüre ist. Ich bin als kleines Kind schon hier gewesen, um Rennen zu sehen, später dann mit Freunden. Ich kenne die Strecke sehr, sehr gut und auch alles um die Strecke herum. Jetzt habe ich das Glück, selbst am Rennen teilzunehmen. Meine Freunde stehen immer noch an der Strecke, trinken Bier und feuern mich an. Meine Familie ist da. Viele Faktoren, die es zu einem sehr speziellen und sehr wichtigen Rennen für mich persönlich machen. Und diesen Titel "Sieger des 24-Stunden-Rennens von Spa" will einfach jeder Rennfahrer.
Nicht nur das Rennen, auch die ganze Woche ist sehr lang und muss sehr anstrengend für euch Fahrer sein. Wie teilst du dir deine Energie ein?
Insgesamt musst du schon die ganze Woche über fokussiert bleiben. Aber ja, ich versuche auch, ab und zu mal zu entspannen und an etwas anderes zu denken, um ein bisschen Abstand zu bekommen. Sonst wirst du verrückt. Und für das Rennen musst du frisch im Kopf sein, bei klarem Verstand. Der Donnerstag ist sehr anstrengend mit mehreren Versammlungen, zwei freien Trainings und dann abends den ersten Qualifikations-Durchgängen, um die Superpole zu erreichen. Freitagmorgen steht dann mal nichts auf dem Programm. Da habe ich vor, tatsächlich mal abzuschalten und an alles zu denken außer an das Rennen. Dann die Superpole* und abends geht es wieder nach Hause. Und Samstagmorgen heißt es dann Rennvorbereitung und volle Konzentration für über 30 Stunden insgesamt.
Schaffst du es, während des Rennen etwas zu schlafen? Oder muss ein bisschen ausruhen reichen?
Wir haben Motorhomes an der Strecke, um uns hinzulegen. In der Nacht fahren wir drei Fahrer normalerweise Doppel-Stints, also zwei Stunden am Stück – dann hat jeder ungefähr vier Stunden Zeit zwischen dem Moment, in dem wir aus dem Auto aussteigen und wieder einsteigen. Aber nach dem Stint wird erstmal etwa eine halbe Stunde Debriefing abgehalten, dann ab unter die Dusche zum Abkühlen und ins Bett. Sofort einschlafen ist natürlich auch nicht einfach während des Rennens. Und dann heißt es wieder zeitig an der Strecke sein. Denn es muss auch immer ein Fahrer schnell einsetzbar sein, falls zum Beispiel ein Safety Car kommt und es dann strategisch interessant wird, den nächsten Fahrer einzusetzen. Also gibt es vielleicht anderthalb Stunden Schlaf – nicht viel, aber besser als nichts.
Worauf wird es ankommen – Fehler vermeiden oder doch das nötige Quäntchen Glück?
Ich persönlich glaube nicht an Glück, zumindest nicht an Glück, das einem einfach so zufällt. Man muss sein Glück erzwingen dadurch, dass man sich gut vorbereitet und hart arbeitet, mit den richtigen Leuten – gute Mechaniker, Ingenieure, Fahrerkollegen. Das sind schonmal die besten Voraussetzungen. Aber wie gesagt, es kann dann immer Probleme geben – ob jetzt technische Pannen oder Unfälle, die völlig unverschuldet sind wie bei mir letztes Jahr, oder eigene Fehler. Aber wenn man alles daran setzt, perfekt vorbereitet zu sein, hat man den Grundstein gelegt für späteren Erfolg. Im Rennen heißt es dann, die Nacht zu "überleben" und morgens volle Attacke bis zum Ende.
Euer Ziel muss ja lauten: der Sieg und nichts anderes.
Ganz klar, wir können nicht hier antreten und sagen, dass wir mit weniger als einem Sieg auch zufrieden wären. Der letzte Sieg von WRT ist genau zehn Jahre her. Wir waren zwar mehrmals nah dran, zum Beispiel 2021. Es ist also höchste Zeit, nach zehn Jahren nochmal zu gewinnen. Und dann ist es die Jubiläumsausgabe. Der Sieg beim 100-Jährigen wäre toll. Wir haben alles, was es dazu braucht.
*Keine Superpole für Weerts und Teamkollegen
Schnellstes Auto der vier Qualifying-Sessions bei 66 Teilnehmern war der Lamborghini #163 von Jordan Pepper/Franck Perera/Marco Mapelli.
Von den belgischen Fahrern schafften es vier in die Top 20 und damit in die Superpole, in der Freitagnachmittag die ersten Startplätze ermittelt werden: Gilles Magnus und Ugo de Wilde (Audi) auf Platz elf, Ulysse De Pauw (Mercedes-AMG) auf Platz 14 und Jan Heylen (Audi) auf Platz 19.
Die beiden WRT-BMW verpassten die Superpole mit Platz 21 (Raffaele Marciello/Maxime Martin/Valentino Rossi) und 23 (Sheldon van der Linde/Dries Vanthoor/Charles Weerts) nur knapp. Die Pro-Autos von Frédéric Vervisch (Ford Mustang) und Laurens Vanthoor (Porsche) landeten auf Startplatz 31 und 44.
Katrin Margraff