Zittern bis zum Schluss, dass hat am Kehrweg irgendwie schon Tradition. So auch wieder in diesem Jahr, wo die Entscheidung erst am letzten Spieltag fallen wird.
In der Saison nach dem Aufstieg hatte es noch mehr oder weniger souverän geklappt. Im Jahr darauf gab es wohl das bislang, von der Dramaturgie her, spannendste Aufbäumen gegen den Abstieg, das erst am letzten Spieltag mit dem "Wunder vom Kehrweg" geklappt hatte, als der Japaner Toyokawa mit seinem Torreigen buchstäblich in letzter Sekunde den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt der AS doch noch irgendwie schaffte.
2023 ist die Ausgangslage für den Abstiegskampf aber eine ganz andere. "Brügge sehen und ... sterben", der Filmtitel des Actiondramas aus dem Jahr 2008, wird wohl an diesem Wochenende entweder für Zulte Waregem oder die AS Eupen zutreffen.
Eupen werden beim Landesmeister kaum Chancen auf einen Sieg zugerechnet, aber der Club hat in dieser Saison schon öfters gegen die vermeintlich kleineren Gegner geschwächelt und im Kampf um die Champions-Play-offs die schlechteren Aussichten. Im Hinspiel hat die AS den großen FC Brügge, damals noch unter Trainer Storck, mit 2:1 bezwungen.
Was Eupen noch Mut machen kann, sind die guten Aussichten von Cercle Brügge, die Europa-Play-Offs erreichen zu können. Jelle Vossen, Ex-Brügge-Spieler und nun Zultes Kapitän, erwartet eine "Irrenhausatmosphäre" im Regenbogenstadion. Aber diese Drucksituation kann vielleicht auch genau das Gegenteil bewirken, wie der Auftritt der AS Eupen am letzten Wochenende im Kehrwegstadion gezeigt hat.
Aber auch diese Situation ist nicht wirklich vergleichbar, denn bei Eupen hat die Unerfahrenheit der Mannschaft mit dem Druck wohl eine Rolle gespielt, während bei Zulte vornehmend routinierte Spieler auf dem Platz stehen, die schon so ziemlich alles in ihrer Karriere erlebt haben.
Vorauszusagen, wer nun die besseren Karten hat, scheint eine Glaubensfrage zu sein. In Eupen setzt Trainer Still auf Wiedergutmachung nach dem 1:5-Debakel gegen Zulte Waregem. Ob das ausreicht, wird sich zeigen.
Die Bilanz des Eupener Coaches ist im Kampf um den Klassenerhalt eher mager. Zwölf von 48 möglichen Punkten wurden seit Stills Verpflichtung geholt. Zu wenig, um nicht bis zum Schluss zittern zu müssen.
Christophe Ramjoie