Was für ein Rennen, was für ein Finale! In der letzten Stunde haben sich bei den 24 Stunden von Spa die Ereignisse überschlagen.
Durch einen gewagten, aber sehr effizienten Reifenwechsel von Audi - kurz bevor (!) es anfing zu regnen – ging der Audi #32 von Dries Vanthoor, Kelvin van der Linde und Charles Weerts in Führung, als es in Francorchamps wie aus Kübeln schüttete und der führende Ferrari einen zusätzlichen Boxenstopp einlegen musste, um ebenfalls auf Regenreifen zu wechseln. Resultat: Eine Minute Vorsprung für den Audi.
"Wir hatten den Regen auch erwartet, aber Audi war wirklich schlau. Nach dem Move habe ich gedacht: Jetzt ist alles vorbei", sagt Sieger Alessandro Pier Guidi im BRF-Interview. "Aber eine Safety-Car-Phase hat uns gerettet." Alessandro Pier Guidi rückte dadurch wieder bis auf fünf Sekunden an Dries Vanthoor heran. Vanthoor konnte sich nicht lange wehren.
Durch ein sehenswertes Überholmanöver auf nasser Piste in der Blanchimont-Kurve ging Pier Guidi zehn Minuten vor Schluss wieder in Führung. "Ich weiß nicht wirklich, was den Unterschied gemacht hat. Mal ist der andere schneller, mal bist du es. Aber auf jeden Fall ein großes Lob an Dries, der sich in diesem Zweikampf sehr sportlich und sehr fair verhalten hat." Duelle im Regen können auch anders ausgehen.
Den Sieg ließ sich Ferrari nicht mehr nehmen. Pier Guidi brachte 3,978 Sekunden Vorsprung und den ersten Sieg von Ferrari seit 2004 ins Ziel. "Ich habe alles gegeben. Es wäre sehr bitter gewesen, so lange in Führung zu liegen und am Ende doch alles zu verlieren. Ein fantastisches Gefühl, hier in Spa mit Ferrari ganz oben auf dem Treppchen zu stehen."
Zu viel Regen(tanz)
Die Geschlagenen müssen das erstmal verdauen. Gemischte Gefühle bei Audi-Fahrer Dries Vanthoor: "Wenn du mir Samstagmorgen gesagt hättest, dass wir Sonntag auf Platz zwei fahren, hätte ich gesagt: Vielleicht, aber ich glaube es nicht. Wenn du dann wirklich von P55 aus gestartet bist und um den Sieg kämpfst, ist das natürlich eine schöne Geschichte. Aber es ist schade, dass wir uns so knapp geschlagen geben müssen."
Auch Charles Weerts war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. "Wir wussten, dass wir rein mit unserem Tempo nicht an den Ferrari herankommen, der war einfach zu schnell und das schon das ganze Wochenende. Als dann der Regen kam, haben wir unsere Chance gewittert. Aber es war dann doch ein bisschen zu viel Regen. Wir haben es mit unserem Regentanz wohl etwas übertrieben ..."
Dieses Wochenende wird der 20-jährige Fahrer aus Aubel aber so oder so nie vergessen. "Zum ersten Mal im Werksteam von Audi, mit echten Werksfahrern als Teamkollegen. Ich bin sehr dankbar für diese Chance. Als ich klein war, habe ich die Fahrer auf dem Treppchen gesehen und davon geträumt, auch einmal dort zu stehen. Dass das so bitter sein kann, hätte ich nicht gedacht. Aber der kleine Junge von damals wäre bestimmt heute stolz auf mich."
Katrin Margraff