Riccardo Patrese, wie ist es für Sie, wieder hier an der Rennstrecke von Spa-Francorchamps zu sein?
Natürlich bin ich froh, hier zu sein. Spa war damals schon eine von meinen Lieblingsrennstrecken, als ich noch Formel 1 gefahren bin. Es ist ja nur 25 Jahre her, dass ich das letzte Mal hier gefahren bin (lacht). Als ich hier angekommen bin, habe ich dieselbe Aufregung gespürt wie früher. Natürlich fahre ich dieses Mal ein ganz anderes Auto. Und es ist nicht einfach, wieder das Gefühl zu entwickeln. Es ist eine lange Zeit her, dass ich kein echtes Rennauto mehr gefahren bin. Aber das Gefühl kommt langsam wieder zurück.
Weshalb haben Sie zugesagt, die 24 Stunden von Spa zu fahren?
Ich brauchte ein bisschen Adrenalin. Außerdem ist mein Sohn nun zwölf Jahre alt und fährt Kart. Seit etwa zwei Jahren spreche ich mit ihm über Motorsport und begleite ihn zu den Strecken. Und das hat auch bei mir wieder die Lust geweckt, nochmal den typischen Geruch von Reifen und Benzin zu schnuppern und mit einem Rennteam zusammenzuarbeiten. Die Arbeit mit Ingenieuren und Mechanikern hat mir immer sehr gefallen. Und ich will einfach wissen, wie ich mich in meinem Alter in einem Rennen schlage.
Sie fahren zum ersten Mal einen GT3. Wie ist das Gefühl im Auto?
Es kommt langsam zurück. Mit jeder Runde wird es besser. Ich entdecke das Auto ganz neu, ich wünschte, ich hätte etwas mehr Zeit zum Testen. Vor einem Monat wusste ich noch gar nicht, dass ich jetzt hier sein werde. Aber das größte Problem ist gar nicht das Fahren, sondern keine Fehler zu machen mit den ganzen Regeln. Die Flaggen, die Track Limits, das ist für mich alles völlig neu. Zu meinen Zeiten gab es diese ganzen komplizierten Regeln noch nicht.
Wie kommen sie körperlich klar? Auch gerade bei dem Wetter?
Es ist ziemlich heiß dadrin, da muss ich mich noch dran gewöhnen. Was für mich neu ist: Es gibt viele elektronische Hilfen, die wir früher nicht hatten, außer vielleicht in dem Williams von 1992. Aber heute hast du ABS, Traktionskontrolle, Bremskraftverstärker und Servolenkung. In dem Sinne gibt es viel Unterstützung für den Fahrer.
Sie haben eine lange Karriere hinter sich. Was ist ihre schönste Erinnerung aus der Formel-1-Zeit?
Die ganze Karriere ist eine einzige schöne Erinnerung. Es gab viele tolle Momente in 17 Jahren Formel 1. Natürlich gab es auch Tiefs, du kannst nicht immer vorne liegen. Als ich meine Karriere beendet habe, habe ich viel Anerkennung für meine Leistungen bekommen. Was mir am besten in Erinnerung bleibt, ist die Zusammenarbeit mit den Teams. Und ich denke, auch sie erinnern sich gerne an mich.
Gehört ihr erster Sieg zu den Höhepunkten ihrer Karriere?
Natürlich ist der erste Sieg immer etwas Besonderes. Das war in Monaco, und es war eine sehr seltsame Situation. Ich wusste beim Überqueren der Ziellinie gar nicht, dass ich gewonnen hatte*. Und dann abends der Ball mit viel Glamour. Prinz Rainier und Prinzessin Grace waren da. Das war wirklich sehr speziell.
Sie sind zwei Jahre Teamkollege von Thierry Boutsen gewesen. Haben Sie auch gute Erinnerungen an diese Zeit?
Thierry und ich waren damals enge Freunde, wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Wir verstehen uns auch jetzt noch gut. Ich habe ihn vor dem historischen Grand Prix in Monaco getroffen. Er war ein sehr loyaler Fahrer, sehr schnell und sehr konkurrenzfähig. Es war toll mit ihm als Teamkollegen.
Sie haben anscheinend eine besondere Verbindung zu Belgien, Sie sind auch schon mit Eric Van de Poele in Le Mans gefahren und dieses Wochenende mit Bertrand Baguette.
Bertrand habe ich jetzt erst kennengelernt. Ein toller Typ und auch sehr schnell. Er hat eine tolle Persönlichkeit und hoffe, dass er auch gerne mit mir arbeitet. Ich bin jetzt ein Amateurfahrer, die jungen Leute sind die Profis. Sonst wäre ich auch nicht gekommen, wenn man von mir verlangt hätte, auf dem gleichen Niveau zu sein wie die Profis. Sie sind die Hauptdarsteller, und ich stehe in der zweiten Reihe. Nicht andersherum.
Hintergrund
Riccardo Patrese (Jahrgang 1954) fuhr von 1977 bis 1993 in der Formel 1, unter anderem für Brabham und Williams. *Seinen ersten Sieg feierte er 1982 in Monaco, nachdem zwei Konkurrenten in der letzten Runde stehengeblieben waren. 1990 war der Italiener der erste Fahrer mit 200 Grand Prix. Insgesamt absolvierte er 256 Formel-1-Rennen, damit hielt er lange den Rekord. 1992 wurde Patrese Vize-Weltmeister.
Die 24 Stunden von Spa sind Patreses erstes Rennen seit über 20 Jahren. Er ist als Amateurfahrer eingestuft ("Bronze") und bildet ein Team mit Loic Depailler, Journalist und Sohn des früheren Rennfahrers Patrick Depailler (ebenfalls Bronze), und den Profirennfahrern Esteban Guerrieri aus Argentinien und Bertrand Baguette aus Thimister-Clermont. Das Team startet in der Kategorie Pro-Am.
Katrin Margraff