"Ich bin gerade mal fünf Stunden in Belgien und fühle mich schon jetzt willkommen: ein schönes Gefühl", sagt Roberto Martinez. Der 43 Jahre alte Spanier tritt die Nachfolge von Marc Wilmots als Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft an.
Roberto Martinez hat fast seine gesamte Karriere als Spieler und Trainer in Großbritannien verbracht. Entsprechend wird Englisch auch erst einmal seine "Amtssprache" sein - ein Novum im belgischen Fußball. Martinez spricht keine der drei Landessprachen. "Ich hätte mich gerne in der Landessprache geäußert - aber als ich gehört habe, dass es gleich drei sind, habe ich doch gedacht, dass das 'Mission impossible' ist."
Nach dem Vorzeigebelgier Marc Wilmots, der in den drei Sprachen parlierte wie ihm der Mund gewachsen war, wird das eine Umstellung sein. Martinez' Frau ist übrigens Schottin, was wohl seinen eigentümlichen Akzent erklärt: spanisch-südländischer Charme mit schottischem Einschlag.
Als potentielle Nachfolger von Wilmots standen durchaus bekanntere Namen im Raum, wie der italienische Weltmeister Marcello Lippi oder Rudi Garcia, der Ex-Trainer des AS Rom. Der Nationale Fußballverband hatte offensichtlich die Qual der Wahl. Aus den ursprünglich 40 Kandidaten hatte man zunächst eine Vorauswahl getroffen. Am Ende blieben noch drei übrig.
Premier League
Dass sich die dreiköpfige Prüfungskommission am Ende für Roberto Martinez ausgesprochen hat, mag da überraschen. Den Mann hatten bislang wohl nur Kenner auf dem Schirm. Die noch junge Trainerkarriere des Roberto Martinez ist aber aller Ehren wert.
Erst führte er den Drittligisten Swansea wieder in die zweite Liga, dann übernahm er den Premier-League-Club Wigan Athletic und gewann mit der Mannschaft den FA-Cup. Dann der vorläufige Höhepunkt: 2013 wird Roberto Martinez Trainer des FC Everton, der durchaus schon zu den großen Clubs der Premier League gezählt werden kann.
In Everton sind Martinez dann auch schon einige belgische Nationalspieler über den Weg gelaufen, wie Romelu Lukaku oder Marouane Fellaini. Stars wie Eden Hazard, Kevin De Bruyne oder Thibault Courtois kennt er auch aus der Premier League.
Und entsprechend ist er sich auch darüber im Klaren, was er da für eine Mannschaft übernimmt. "Wer ein Gewinnerteam aufbauen will, der braucht Talent. Und wir, wir haben das im Überfluss, unglaublich beeindruckende Einzelspieler", erklärt Martinez bei der Pressekonferenz.
Gewinnermentalität und Biss
"Ein Gewinnerteam braucht aber auch eine Gewinnermentalität und Biss. Und da hat man in der Vergangenheit manchmal den Eindruck gehabt, dass die Mannschaft mit dem Druck und mit den Erwartungen eines ganzen Landes nicht umgehen konnte. Unsere Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Jungs möglichst befreit aufspielen und all ihre Qualitäten abrufen können."
Stirnrunzeln unter den Journalisten nach dem Motto: Ach so? Bislang waren wir also auf dem Holzweg? Nein, er sei bestimmt nicht so dumm und komme jetzt als Besserwisser daher, reagiert aber gleich der neue Coach. Er sei und bleibe erstmal demütig. Und er freue sich auf seine neue Aufgabe.
Roberto Martinez will ein Vollblut- und vor allem auch ein Vollzeit-Trainer sein. Und um seinen Job wirklich richtig machen zu können, müsse er in die belgische Kultur eintauchen. "Wenn ich meine Spieler kennen will, dann muss ich ihren Background kennen", sagt Martinez. Deswegen sei es selbstverständlich, dass er nach Belgien ziehe. Er will mit seiner Familie in Brüssel wohnen.
Seine Philosophie fasst er so zusammen: "Wir wollen attraktiven Fußball spielen - gepaart mit der entsprechenden Mentalität, dem nötigen Biss. Wir möchten, dass am Ende das Land stolz auf diese Mannschaft ist. Und am Ende winkt für all das hoffentlich eine Belohnung."
Doppeltes Gehalt, wenn ...
Roberto Martinez weiß nur zu gut, dass die Latte da ziemlich hoch liegt. Die Erwartungen an die "Goldene Generation" sind immens. In seinem Vertrag gibt es eine Erfolgsklausel: Sein Jahresverdienst beläuft sich auf eine Million. Er hat einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben: Das macht zwei Millionen. Erreichen die Roten Teufel bei der WM in Russland mindestens das Halbfinale, dann wird auf vier Millionen verdoppelt.
In ein paar Wochen schon wartet ein erster Test auf Roberto Martinez: Ein Freundschaftsspiel am 1. September - ausgerechnet gegen Spanien. Wenige Tage später beginnt die WM-Qualifikation.
belga/est/km - Bild: Virginie Lefour/Belga