AS-Trainer Jordi Condom hatte sich nach eigenen Worten tagelang mit der Startaufstellung herumgeschlagen – das nennt man wohl die Qual der Wahl: bis auf Verteidiger Raoul Kenne, dessen Herzprobleme kommende Woche genauer untersucht werden sollen, standen ihm alle Spieler zur Verfügung. Mit 22 Spieler fuhr die AS nach Waregem – auch die nicht berücksichtigten Spieler sollten Erstligaluft schnuppern.
Die erste Gundsatzentscheidung betraf die Position im Tor: Hendrik Van Crombrugge erhielt den Vorzug vor Babacar Niasse. Diawandou Diagne übernahm die rechte Verteidigerposition von Kenne, in der Innenverteidigung durften Siebe Blondelle und Ibrahim Diallo ran, auf links Fahad Abdulrahman.
Vor der Abwehr sollte Mannschaftskapitän Luis Garcia die Fäden im Eupener Spiel zusammenhalten, die Offensivabteilung bildeten Guy Dufour, Eric Ocansey, Henry Onyekuru, Florian Taulemesse und Neuzugang Mamadou Sylla.
Schiedsrichter Lawrence Visser pfiff die Begegnung mit vier Minuten Verspätung an - das Abenteuer erste Liga konnte für die KAS Eupen wieder beginnen, sechs Jahre nach dem letzten Auftakt beim RSC Anderlecht, den die AS mit 1:4 verloren hatte.
Anpfiff
Beide Teams gingen vorsichtig in die Partie: Nach vier Minuten gab es eine erste Möglichkeit für Zulte-Waregem nach Foul an Leye - sein Freistoß aus etwa 20 Metern wurde aber zur Ecke abgewehrt.
Ein weiterer Freistoß, diesmal von rechts, wurde in der 12. Minute eine sichere Beute von Van Crombrugge. Sein langer Abschlag fand um ein Haar Onyekuru, im Nachsetzen wurde Sylla daran gehindert, den Ball gefährlich vors Tor bringen zu können. Dafür prüfte Ocansey kurze Zeit später Sammy Bossut mit einem platzierten, aber zu schwachen Schuss.
Nach einer guten Viertelstunde war dann Van Crombrugge nach einem Kopfball von Igor Vetokele von Zulte Waregem auf dem Posten. Auf der anderen Seite brachte eine lange Freistoßhereingabe von Garcia nichts ein.
Die AS versteckte sich keineswegs: immer wieder wirbelten Onyekuru und Ocansey im Zusammenspiel mit Taulemesse die hochgewachsene Abwehr von Zulte Waregem auf - ein Schuss von Sylla wurde so gerade noch zur ersten Ecke für Eupen abgelenkt.
Der zweite Eckball brachte dann die bis dahin größte Möglichkeit im Spiel: Sylla lenkte die Hereingabe von Garcia mit dem Kopf Richtung Tor, wo der Ball erst kurz vor der Linie von Brian Hamalainen geklärt wurde, der als Absicherung am kurzen Pfosten geblieben war.
Nach gut einer halbe Stunde tauchten die Gäste, die sich mittlerweile ein Gleichgewicht erspielt hatten, kurz nacheinander zweimal gefährlich vor dem gegnerischen Tor auf: Erst ließ Taulemesse den Ball durch für Oneykuru, dessen Abnahme aber am Tor vorbei ging. Dann fand Sylla nach einem starken Pass in die Spitze im direkten Duell mit Bossut seinen Meister.
Auf der anderen Seite konnte Christophe Lepoint ungehindert den Ball annehmen, schoss ihn aber sechs bis sieben Meter neben den Eupener Kasten. Drei Minuten später scheiterte wieder Sylla mit einem mittig aufs Tor geschossenen Ball an Bossut.
Nach einem Eckball herrschte in der 40. Minute kurz Konfusion im Eupener Strafraum. Die Abwehr, in der Blondelle einen starken Eindruck machte, konnte sich aber befreien. Ein Freistoß von Garcia aus halblinker Position war für Bossut kein Problem.
Die AS machte das aber ganz gut - ein Schuss von Sebastiaan Brebels aus der zweiten Reihe stand schon fast für die Verzweiflung bei Zulte Waregem, das wohl nicht mit einem so couragierten Auftritt des Aufsteigers gerechnet hatte. Bis zur Pause blieb es beim 0:0.
0:0 zur Pause
Nach dem Seitenwechsel erhöhte Zulte Waregem den Druck. Zunächst war Lepoint aber offensichtlich zu überrascht, um einen Kopfball verwerten zu können, dann setzte Leye eine scharfe Hereingabe von der Torauslinie nur knapp neben den Kasten Van Crombrugges, der sich bei der Aktion verletzte und behandelt werden musste. Wenig später war er bei einem weiteren Versuch von Leye aber wieder mit den Fingerspitzen zur Stelle, ebenso wie bei einem platzierten Freistoß von De fauw nach Handspiel von Diallo.
Nach einer Stunde heizte sich die Atmosphäre auf im Regenbogenstadion: Statt eines vom Publikum geforderten Handelfmeters gab es Eckstoß für Zulte Waregem, dabei soll Ocansey seinen Gegenspieler gehalten haben, wofür Schiedsrichter Visser nach einigen Diskussionen schließlich einen Strafstoß gab. Diese Möglichkeit ließ sich Mbaye Leye nicht entgehen - das 0:1 aus Eupener Sicht in der 62. Spielminute. Seit Wiederanpfiff hatte sich so etwas angedeutet.
Nur drei Minuten später sah dann auch noch Eric Ocansey Gelb-Rot - die AS musste in Unterzahl wieder ins Spiel finden. Garcia wurde ebenfalls verwarnt für ein Foul an Leye.
AS-Trainer Jordi Condom musste reagieren: Er brachte in der 70. Minute Peter Hackenberg für Siebe Blondelle, der mit einer Platzwunde am Kopf vom Platz musste, und Jeffrèn für Sylla, der sich in der zweiten Halbzeit nicht mehr so in Szene setzen konnte wie in der ersten Spielhälfte. Auf der Gegenseite kam der vom Publikum frenetisch gefeierte Onur Kaya für Igor Vetokele.
Gleich nach den Einwechslungen fiel dann das zweite Tor für Zulte Waregem: Innenverteidiger Timothy Derijck verwertete eine Hereingabe mit dem Kopf zum 2:0.
Nun hatten die Hausherren Spiel und Gegner im Griff. Dury brachte noch Sander Coopman für Cordaro, bei Eupen kam Cases für Taulemesse.
In der 84. Minute war die Messe dann gelesen: Diesmal zeigte sich Christophe Lepoint mit einem Kopfball treffsicherer als bei seinen vorherigen Aktionen. Nun wurde es ganz bitter für den Aufsteiger, der allerdings auch in den zweiten 45 Minuten überhaupt nicht zum Zuge kam.
Für den Aufsteiger, der sich zunächst überzeugend frech präsentierte, war es auch eine Lehrstunde dafür, wie in der höchsten Spielklasse der Hase läuft.
"Vom Ergebnis her bin ich sehr enttäuscht", sagt AS-Genereldirektor Christoph Henkel im BRF-Interview. "Das Spiel hatte zwei Hälften. Wir haben bis zum Elfmeter unsere Arbeit sehr gut gemacht. Insofern ist es am Ende sehr unglücklich. Eine Gelb-Rote-Karte ist gegen einen so starken Gegner wie Zulte Waregem nicht mehr aufzufangen. Wir brauchen schon alle Kräfte an Bord mit elf Mann."
Dennoch sieht Henkel nicht die Physis als Problem der Mannschaft: "Ich denke, das Problem der körperlichen Stärke können wir durch Wendigkeit und Schnelligkeit wettmachen. Das ist eher eine Frage der Konzentration, der mentalen Stärke. Da müssen wir zeigen, dass wir -wie in den ersten 60 Minuten- über 90 Minuten bei einem so starken Gegner dagegen halten können."
Am kommenden Samstag empfängt Eupen im Kehrwegstadion den KV Mechelen, der sich zum Auftakt gegen Meister FC Brügge mit 0:2 geschlagen geben musste.
Stephan Pesch - Bild: Kurt Desplenter/BELGA