An den eigentlichen Moment beim Zieleinlauf am 31. Juli 1996 kann sich der heute 50-Jährige gar nicht mehr so genau erinnern: "Ich weiß nur, dass ich nach dem Rennen Sternchen gesehen habe, weil ich eigentlich über meine Verhältnisse gelaufen bin. Im Nachinein habe ich dann erst realisiert, welche Leistung ich da gebracht habe und bin damals sehr stolz darauf gewesen. Ich habe auch quasi 15 Jahre von meiner Karriere darauf fokussiert, mich ganz seriös vorbereitet, so dass der Abschluss mit 30 Jahren ein belgischer Rekord war und wo ich ganz zufrieden auf meine Karriere zurückblicken kann."
Dabei hätte es um ein Haar nicht geklappt mit der Olympiateilnahme von Marc Dollendorf in Atlanta: "Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, dass ich mich im Trainingslager im April '96 verletzt hatte, ein Muskelfaserriss, wo ich eigentlich schon gedacht hatte: So, das war's mal wieder. Aber durch eine sehr gute Physiotherapie, wo ich zweimal am Tag massiert wurde, war das innerhalb von drei, vier Wochen so weit wieder verheilt, dass ich gleich im ersten Rennen im Juni die Norm nochmal gelaufen bin."
Mit dem Olympiaticket in der Tasche konnte sich Marc Dollendorf gezielt auf die Spiele vorbereiten: "Ich bin auch schon drei Wochen vorher nach Amerika gefahren, um mich zu akklimatisieren - das Resultat kennen wir ja, zum Glück hat es hingehauen."
Dollendorfs Rekord könnte bei Olympia 2016 geknackt werden
Dass sein Landesrekord über 400 Meter Hürden so lange hält, wundert auch ihn. Allerdings könnte er nun bei den Olympischen Spielen geknackt werden, vermutet Marc Dollendorf: "Wir haben einen Belgier dabei, den Michaël Bultheel, der ist auch 30 Jahre, also hat genug Erfahrung, wie ich sie damals auch hatte, der daran kratzen wird und vielleicht wird es ihm gelingen, den belgischen Rekord in Rio zu verbessern."
Nach seiner aktiven Laufbahn als Spitzensporler hat Marc Dollendorf seine Erfahrung weiter gegeben: bei der Betreuung von luxemburgischen Leichtathleten, aber auch Tennisspielern wie Anne Kremer oder Gilles Müller oder der Karatekämpferin Tessy Scholtes. "Das sind Erfahrungswerte, die immer einen gemeinsamen Punkt treffen, ob es jetzt Tennis, Karate oder Leichtathletik ist: Hochleistungssport hat gemeinsame Punkte und die versuche ich eben, meinen Athleten weiter zu vermitteln."
Hauptberuflich arbeitet Marc Dollendorf mit straffällig gewordenen Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren: "Denen versuche ich dann, über den Sport verschiedene Wege aufzuzeigen, dass es noch etwas anderes gibt im Leben, sehr interessant, und das mache ich schon seit 17 Jahren und jeder Tag birgt neue Herausforderungen, so dass ich das noch nicht langweilig finde und ich glaube, ich werde da die Pension noch kriegen", sagt der 50-Jährige.
Dollendorf betreibt heute Fischzucht in Weweler
Daneben betreibt er mit einem Partner eine Fischzucht in Weweler: "Nach Atlanta und der konsequenten Vorbereitung mit der enormen Zeit, die ich in den Sport investiert habe und als ich dann für mich die Entscheidung getroffen habe, damit aufzuhören, hatte ich soviel Zeit übrig, dass ich gar nicht wusste, was ich damit machen sollte." Durch Zufall sei er auf Freunde gestoßen, die mit einer Forellenzucht angefangen haben: "Ich bin dann gleich mit eingestiegen. Und das ist immer größer geworden, ist aber immer noch ein Hobby von mir. Mein Tag fängt morgens früh an und hört abends spät auf - wie im Leistungssport."
In der aktuellen Diskussion über staatlich gefördertes Doping und die (Nicht-)Teilnahme von Atheleten mit nachgewiesener Dopingvergangenheit hat der frühere Hürdenläufer eine klare Meinung: "Jemand, der mit Doping in Verbindung gebracht wird oder nachgewiesen gedopt ist, hat nichts bei den Olympischen Spielen oder überhaupt im Sport zu suchen." Allerdings gebe es gerade bei Olympischen Spielen einen gewissen Grad an Politikverflochtenheit. "Das sieht man momentan, wo es eigentlich für die meisten Sportler klar ist, wenn ein Land beschuldigt wird, es systematisch mit Doping zu tun zu haben, dass die aber noch an den Olympischen Spielen teilnehmen können - das sind natürlich Entscheidungen, die entgehen uns Sportlern, da haben wir keinen Einfluss drauf."
Die Olympischen Spiele in Rio wird Marc Dollendorf intensiv verfolgen: "Ich habe natürlich meine 400 Meter Hürden, die ich damals gelaufen bin und weil ich ja auch vielleicht davon ausgehen muss, dass der belgische Rekord geknackt wird, werde ich natürlich Michaël Bultheel zusehen. Hinzu kommen noch andere Sportarten, die mich sehr interessieren, alles werde ich mit Sicherheit nicht schauen können, aber, wie sagt man: Olympische Spiele sind ganz einfach ein Muss."
Stephan Pesch - Archivbild: Jim Middleton/BELGA - Bild: Stephan Pesch/BRF