Es ist fast schon wie die klassische Geschichte vom heroischen Kampf Davids gegen den übermächtig erscheinenden Goliath.
In der Rolle des "David": Olivier Debie, ein Grafikdesigner aus Lüttich. Der hatte vor zwei Jahren das Logo für das Lütticher Theater entworfen. Das Logo zeigt einen dicken Mittelbalken, oben links die eine Hälfte des Querbalkens, unten rechts die andere Hälfte.
Nicht schlecht gestaunt hatte Olivier Debie, als er das Logo für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sah. Es war quasi dasselbe Design. Nur oben rechts gab es einen Roten Punkt als Verweis auf die japanische Nationalflagge. "Bei genauem Hinschauen hat sich der Verdacht nur bestätigt", sagte Olivier Debie in der RTBF. "Das Design war absolut gleich; sogar der gewählte Schriftsatz war derselbe."
Außerdem sei sein Logo lange genug im Umlauf gewesen, zum Beispiel auch auf den einschlägigen Internet-Seiten. Es sei also absolut wahrscheinlich, dass dem japanischen Kollegen Kenjiro Sano sein Entwurf unter die Augen gekommen ist.
Olivier Debie und auch das Théâtre de Liège reichten vor dem Zivilgericht in Lüttich eine Unterlassungsklage ein. Im fernen Japan schaltete man aber auf Durchzug. Debie ging daraufhin in die Offensive: Er stellte beide Logos ins Netz, nebeneinander, damit sich jeder seine Meinung bilden konnte. Und innerhalb von 24 Stunden war die Geschichte um die Welt gegangen. "Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet", sagte Debie in der RTBF.
Und damit stieg auch der Druck auf das Organisationskomitee der Olympischen Spiele von 2020 in Tokio. Die japanische Presse stürzte sich auf die Geschichte, im Atelier von Olivier Debie gaben sich Journalisten aus Nippon die Klinke in die Hand. "Für uns ist das auf jeden Fall eine knackige Story", sagte einer von ihnen in der RTBF. Das sei nämlich längst nicht der erste Patzer des Organisationskomitees, es habe eine Serie von Pannen und Fehlkalkulationen gegeben. Und weil die Olympischen Spiele in seiner Heimat ein Nationales Großereignis seien, sei das Interesse entsprechend groß.
Irgendwann muss der Mediendruck wohl zu groß geworden sein. Fakt ist jedenfalls, dass das Organisationskomitee in Tokio jetzt kleinlaut bekanntgab, dass man das Logo zurückziehe und ein neues Markenzeichen ausarbeiten werde - allerdings ohne weitere Erklärung. Kein Wort über den Streit mit dem Lütticher Designer oder die Plagiatsklage ... Von dieser Kehrtwende habe er nur durch einen Anruf von einem japanischen Journalisten erfahren. Das habe ihn dann aber doch ziemlich überrascht, sagt Olivier Debie. Noch Ende letzter Woche habe ihm das Organisationskomitee mitgeteilt, dass man das Logo weiter benutzen werde und nicht daran denke, einzulenken.
Für Debie und seine Rechtsbeistände ist das aber allenfalls ein erster Schritt. "Der Gerichtstermin vom 22. September steht weiterhin", sagt Alain Berenboom, der das Lütticher Theater vertritt. Es bedürfe in jedem Fall einer offiziellen Verzichtserklärung des Organisationskomitees. Olivier Debie verlangt sogar ein offizielles Schuldeingeständnis. Mit einer simplen Pressekonferenz sei es nicht getan, das Organisationskomitee müsse das Plagiat klar und deutlich zugeben.
Roger Pint - Bild: Sophie Kip (belga)