Kaum zu glauben, dass man an diese Grundlage des funktionierenden Rechtsstaates erinnern muss. Sie lautet: Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Allein der Polizei als Exekutivorgan obliegt die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Sie ist entsprechend ausgebildet und in der Lage, mit gefährlichen Situationen umzugehen.
Doch auch die AGK, die Arbeitsgemeinschaft Eupener Karneval, will darauf achten, dass es dieses Jahr keine provozierenden Kostüme oder Schriftzüge gibt.
Spätestens nach dieser Aussage hätten im Eupener Rathaus die Alarmglocken läuten müssen. Denn schon beim Entschärfen des Konflikts um die sogenannte Bushofparty hatte die AGK nicht gerade ein glückliches Händchen bewiesen, als es darum ging, die Situation nicht eskalieren zu lassen.
Und da sind wir auch schon mittendrin im Thema Provokation. Im Grunde war die Bushofparty in den Augen einiger Betrachter auch eine Provokation. Auf der einen Seite empörte Beschützer der Tradition. Auf der anderen Seite Freunde der Technomusik. Letztendlich hat die Vernunft gesiegt. Wer es mag, geht hin, wer nicht, bleibt weg. So einfach ist das.
Als einige junge Männer als Scharia-Polizei in der Wuppertaler Innenstadt fromme Ratschläge erteilten, war die Empörung wegen ihrer Amtsanmaßung groß.
Es kann niemand wollen, dass die AGK selbst die vermeintliche Sitten-Polizei noch übertrifft, indem sie sich in Selbstjustiz übt und Karnevalisten aktiv ausschließt.
Schon aus Gründen des Selbstschutzes kann man den Mitgliedern der AGK nur wärmstens empfehlen: Finger weg! Das ist nicht eure Baustelle! Terrorwarnstufe drei ist keine Aufgabe für eine Karnevalsgesellschaft.
Und wir wollen auch nicht naiv sein. Die Sorge der verantwortlichen Behörden und Organe ist im Grunde nachvollziehbar. 1000 Karnevalisten in den Straßen lassen sich schlechter beschützen als ein prominenter Politiker oder ein öffentliches Gebäude. Und wir wissen auch, dass Provokationen bei Streiks und Demonstrationen dazu eingesetzt werden, die Situation eskalieren zu lassen.
Die Art und Weise, wie die Verantwortlichen ihre Sicherheitsmaßnahmen kommuniziert haben, lässt aber zu wünschen übrig. Erstens, weil sich der angesprochene Karnevalist als potenzielles Terroropfer plötzlich in der Täterrolle wiederfindet. Und zweitens, weil er seine Rechte auf freie Meinungsäußerung beschnitten sieht.
In der westlichen Welt war die Lesart der Meinungsführer kürzlich einhellig: Die Mitarbeiter von "Charlie Hebdo" sind nicht gestorben, weil sie provoziert haben, sondern weil Terroristen das Recht auf Meinungsfreiheit missachten und bekämpfen. Von Politkern angeführte Trauermärsche folgten. Sie sollten auch Entschlossenheit und Stärke symbolisieren. Wir weichen den Feinden der Demokratie nicht, so die klare Botschaft.
Doch schon jetzt, ausgerechnet in der Stunde des einfachen Karnevalsvolkes, das vielleicht auch Haltung zeigen möchte, soll dies nur noch eingeschränkt gelten. Dabei sollte man den Karnevalisten vor allen Dingen einen Vertrauensvorschuss gönnen.
Machen wir uns nichts vor: Sollte ein Terrorist fest entschlossen sein, den Karneval als Anschlagsziel auszuwählen, wird er sich auch nicht davon abhalten lassen, wenn Pit und Klös ihr Scheichkostüm oder den fliegenden Teppich zu Hause lassen.
Den Dauerbeleidigten kann man es eh nie Recht machen, auch wenn wir uns auf die ständige Suche nach vermeintlichen Provokationen begeben.
Müssen wir etwa den Metzger, der es wagt, Schweineschnitzel in die Vitrine zu legen, schützen, oder ist er nur ein dummer Provokateur? Mal ehrlich! Wer will diese Debatte führen?
Wenn es denn sein muss, hier eine These: Terrorgefahr geht nicht vom Ardenner Schinken aus, sondern vom Terroristen.
Karikatur: Valentine Lilien
Bravo !
Statt wie verlautet Karnevalisten zu "beobachten" und "verdächtigen" Karnevalsgruppen "auf die Finger zu schauen", sollten besser die beobachtet werden, von denen eine potentielle Gefahr ausgeht.
Ein schönes Beispiel, zu welch' pervertiertem Denken die Kapitulation vor religiösen Fanatikern und Terroristen führt.
Es ist zu befürchten, dass dies nur der Anfang ist.
"Nice one", Herr Zimmermann!
Und um ganz sicher zu gehn, müssen wir demnächst "hallal" rufen anstatt "allaf".
Man könnte meinen, wir würden unter einem Besatzungsregime leben und nicht in einer parlamentarischen Demokratie. Was gefragt ist nicht Duckmäusertum sondern Zivilcourage. Es gilt jetzt einzustehn für Meinungsfreiheit und andere Grundrechte und wenn es denn sein muss mit Papnase und Konfetti.
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
Das ist die bisherige einzige vernünftige offizielle Stellungnahme eines hiesigen Presseorgans.
Danke dafür.
Das musste mal gesagt (geschrieben) werden. Ein exzellenter Kommentar!
Glücklicherweise gibt es noch Politiker und Gemeindeverantwortliche, die ihr Denken und Handeln nicht danach ausrichten, was Terroristen ihnen diktieren. In der Stadt Menden im Sauerland wird es gleich 2 Karnevalswagen geben, die die Anschläge auf Charlie Hebdo zum Thema haben und damit bewusst ein Zeichen für Meinungsfreiheit setzen wollen. Mittlerweile haben auch die Verantwortlichen des Kölner Rosenmontagszugs eingestanden, ihre Entscheidung, einen "Je suis Charlie"-Wagen zurück zu ziehen, voreilig gefällt zu haben.
Wie wäre es, wenn auch die stolze "Fairtrade-Gemeinde" Eupen (und Kelmis) statt voreilendem Gehorsam ein ähnliches selbstbewusstes statt unterwürfiges Zeichen setzt ?