Die deutschsprachigen Belgier sind nicht nur die besten Belgier, wie nicht wenige von ihnen meinen, sondern auch die schnellsten. Bereits vier Tage nach Bekanntwerden des vorläufigen Wahlresultates in der Gemeinschaft steht die Koalition - mit allem, was dazugehört: dem Koalitionsabkommen mit allen Schwerpunkten und dem Personal mit allen Zuständigkeiten.
Die alte Koalition ist auch die neue: ProDG, der Wahlsieger, die SP, ein Wahlverlierer, und die PFF, die auf der Stelle tritt, bilden zusammen eine Mannschaft, die insgesamt gestärkt aus der Wahl hervorgegangen ist. Dank der beiden Sitze, die die Freie Bürgerliste ProDG hinzugewinnen konnte. Der Wähler, so sind sich die Präsidenten der drei Koalitionsformationen einig, habe die erfolgreiche Zusammenarbeit in der letzten Legislatur gewürdigt. Deshalb setze man konsequenterweise auf Kontinuität. Das kann man durchaus so sehen.
Dem Votum der Bürger wurde vor allem dadurch Rechnung getragen, dass Karl-Heinz Lambertz als Ministerpräsident durch Oliver Paasch ersetzt wird. Lambertz landete auf Rang drei der Vorzugsstimmenfänger, während Oliver Paasch deutlich vor dem CSP-Bewerber Robert Nelles den Sieg davontrug. Und im übrigen positionierte sich ProDG gleich um zwei Sitze besser als die SP.
Aber: Warum ist alles so rasend schnell gegangen mit der Bestätigung des alten Bündnisses? Der Wähler muss den Eindruck gewinnen, dass schon vor den Wahlen alles abgekartet und entschieden war. Allerdings gibt es neben dieser Mutmaßung zwei Gründe, die das hohe Tempo erklären.
Erstens: Man wollte Fakten schaffen, bevor Namur sich wirksam einmischen konnte. Zweitens: Die CSP, immer noch stärkste Fraktion, hat sich in den Verhandlungen und vor allem danach, als sich offenbar alles gegen sie wendete, nicht mit Ruhm bekleckert. In der Tat, so die neuen und alten Koalitionäre unisono, ist da wohl ein riskantes Manöver gewagt worden, das voll daneben ging.
Mit ProDG hätte die CSP eine Zweierkoalition bilden können. Als klar wurde, dass eine solche Lösung nicht im Handumdrehen zu realisieren war, boten die Christlich-Sozialen Lambertz an, man werde ihm den Ministerpräsidenten-Posten lassen, wenn er sich für sie als Partner entscheiden würde. Letztlich, so die Darstellung von SP, ProDG und PFF, hätten danach alle drei zusammen und jeder für sich den Beschluss gefasst, keine weiteren Gespräche mehr mit der CSP zu führen.
Der verzweifelte Versuch des frankophonen CDH-Präsidenten Lutgen, durch eine Intervention das Ruder noch herumzureißen, schlug fehl. Schlimmer noch: Was Lutgen am Himmelfahrtstag zum Besten gab, beleidigte nicht nur ProDG, sondern eigentlich (fast) alle Ostbelgier.
Lutgen bat nämlich in einer Pressemitteilung SP und PFF darum, sich nicht, so wörtlich, auf ein "ultraregionalistisches Projekt" einzulassen. Und im weiteren Text formulierte Lutgen, er (Zitat) "würde es bedauern, wenn sich Sozialisten und Liberale für die Autonomisten entschieden" (Zitatende).
Wo lebt der Mann eigentlich? Und: Was heißt hier Autonomisten? Lutgen unterstellt, dass der Wahlsieger in der Deutschsprachigen Gemeinschaft die finstere Absicht der Abspaltung von der Wallonie und von Belgien hegt und dabei auch noch Unterstützung durch andere erfährt. Jeder weiß, dass das Streben der Deutschsprachigen nach einer vierten Region sehr wohl mit Selbstbewusstsein, aber keineswegs etwas mit Illoyalität zu tun hat. Insofern hat Lutgen, wie auch immer diese unsäglichen Äußerungen zustandekamen, der CSP einen Bärendienst erwiesen.
Zu guter Letzt: Bald hat das DG-Parlament noch eine wichtige Entscheidung zu treffen. Wegen der annullierten 20 Stimmkarten haben Vivant und Ecolo angekündigt, dass sie das Wahlergebnis anfechten werden. Im übrigen wollen sie feststellen lassen, ob es nicht auch noch die Möglichkeit gibt, ein ordentliches Gericht mit dem Pannen-Desaster und seinen Folgen zu befassen.
Zudem wird die neue und alte Mehrheit auf die erste richtige Bewährungsprobe gestellt. Wie geht man mit dem Einspruch um: offen, transparent und bürgernah, wie man versprochen hat, oder wird man mauern?
Mal gespannt, was in den nächsten Tagen, bis zur Einsetzung der neuen Regierung, noch so alles passiert in der DG. Inzwischen sollte man sich über nichts mehr wundern.
Bild: brf
Sehr schön geschrieben! Keiner kommt zu schlecht weg, keiner zu gut...