Der Fehler ist gefunden: Schuld an dem Stimmkarten-Debakel ist eine Änderung in der Wahlsoftware "Jites", die unter anderem noch in den Kantonen Eupen und St. Vith genutzt wird. Zum Auslesen der Wahlkarten wird die Software CODI genutzt, die den Fehler gemeldet hatte.
Neu in der Software "Jites" bei diesen Wahlen war, dass man auf zwei verschiedenen Wegen seine Stimme (für einen oder mehrere Kandidaten) annullieren konnte: entweder über das Feld "Annullieren" unten auf dem Bildschirm, oder - der neue Weg - durch erneutes Anwählen des oder der Kandidaten.
Nur in einem bestimmten Fall wurde ein Fehler produziert: 1) Der Wähler entscheidet sich für eine Liste. 2) Er wählt einen oder mehrere Kandidaten. 3) Er wählt den oder die Kandidaten wieder ab, indem er erneut auf das Feld mit dem Namen klickt. 4) Er geht zurück zur Übersicht der Listen. 5) Er wählt eine andere Liste. 6) Er führt den Wahlprozess durch.
Der Fehler bestand darin, dass in diesem Fall trotzdem die Listennummer der ersten Wahl festgehalten wurde. Auf der Wahlkarte ist nur diese Wahl gespeichert, die zweite Wahl und der oder die dabei gewählten Kandidaten (oder eine Weißwahl) sind nicht festgehalten. Der tatsächliche Wählerwille kann also nicht rekonstruiert werden.
Wahlvorstand kann Stimmen für ungültig erklären
Weil es sich bei den betroffenen Wahlkarten nur um 0,06 Prozent der abgegebenen Stimmen handelt, schlägt das Innenministerium vor, die Stimmen zu annullieren. In der Mitteilung heißt es, dass das ein üblicher Vorgang sei. Bei jeder Wahl würde ein minimaler Prozentsatz der Stimmen aus verschiedenen Gründen für ungültig erklärt.
Im Kanton Eupen geht es um 13 Karten, in St. Vith um sieben. Verschiedene Tests hätten ergeben, dass die Annullierung keine Auswirkungen auf die Sitzverteilung habe. Ob es tatsächlich zu einer Annullierung kommt, liegt im Ermessen des Wahlvorstands. Sollte dieser die 20 Stimmen für ungültig erklären (ProDG -3, Vivant -3, Ecolo -1, SP -3, CSP -7, Parti Libertarien -3) und die Wahlprozedur abschließen, würden die Zahlen neu veröffentlicht. Im Anschluss muss dann noch das Parlament die Wahl abnehmen.
Update: Entscheidung gefallen: 20 Stimmen werden annulliert
14 Stimmen könnten viel bewegen
Eine Annullierung hätte keine Auswirkungen - andere Stimmen unter Umständen schon: Die Sitzverteilung ist beim bekannten Stand der Auszählung nämlich äußerst knapp. So entscheiden nur wenige Stimmen, ob Vivant einen dritten Sitz erhält und die CSP einen Sitz verliert. Dazu reichen nach BRF-Berechnung Vivant 14 zusätzliche Stimmen. Würde die CSP einen Sitz verlieren, wäre eine CSP-ProDG-Koalition nicht mehr möglich, da beide Parteien zusammen auf nur zwölf Stimmen kämen und keine Mehrheit hätten.
"Jeder Kandidat kann Einspruch einlegen beim Parlament - innerhalb von zehn Tagen ab der offiziellen Feststellung der Wahlresultate. Das Parlament wird dann darüber entscheiden, ob dieser Einspruch berechtigt ist oder nicht", erklärte Rolf Lennertz, Präsident des Hauptwahlvorstands, am Nachmittag im BRF-Interview. "Wird der Beschwerde stattgegeben, wird das Parlament gegebenenfalls den Beschwerdeführer für gewählt erklären oder die Sitzverteilung ändern. Das liegt in der souveränen Entscheidung des Parlaments." Wenn das Parlament die Wahlen für ungültig erklären würde, würde es Neuwahlen geben, so Lennertz.
Betroffen sind neben den Kantonen Eupen und St. Vith der Bezirk Lüttich, Durbuy (Provinz Luxemburg), Lens und Frasnes-lez-Anvaing (Hennegau) sowie 15 der 17 Brüsseler Gemeinden. Entwickelt wird die Software von Stesud, einem Tochterunternehmen von NRB. Experten beider Firmen waren nach Brüssel gerufen worden. Das Innenministerium unterstreicht, dass die Software vor den Wahlen durch das unabhängige Unternehmen Price Waterhouse Coopers PWC überprüft und abgenommen wurde.
Die anderen Wahlvorgänge (für Europa, die Kammer und die Region) sind selbst auf den betroffenen Karten gültig, wenn nicht auch bei diesen Schritten die Wahl korrigiert und der selbe Fehler produziert wurde.
Mandatare im neuen PDG
Gewinner und Verlierer – Top TenErgebnisse aus dem Kanton Eupen - Ergebnisse aus dem Kanton St. Vith
mitt/km/okr/ake - Bild: BRF
Innenministerium: Suspekte Karten sollen annulliert werden ... ... ... .. ! ! ! !
Ich versuche mir gerade vorzustellen diese Katastrophe wäre in der Ukraine passiert
und die zuständige Mannschaft hätte dort das Gleiche gemacht !
Gehe ich Recht in der Annahme, dass dann die westliche Welt zu klein geworden wäre ?
Das Innenministerium hat mit diesem Chaos seine Glaubwürdigkeit verloren. Es ist aber unerlässlich, dass der Wähler dem Wahl- und Zählvorgang vertraut. Um dieses Vertrauen wieder herzustellen ist es unerlässlich, dass die Kantone Sankt Vith und Eupen neu gezählt werden. Die Urnen mit den Wahlkarten sind noch vorhanden und in einem Tag wäre es sicherlich zu leisten.
@Herr Halmes: ich gehe noch einen Schritt weiter: Neuwahlen, alles andere ist undemokratisch!
Als Wahlverantwortlicher der Gemeinde Amel kann ich zu allen bisherigen Kommentaren nur Folgendes sagen :
Die Gemeinden waren seit etwa Januar tagtäglich in die praktische Organisation dieser "Mammutwahlen" eingebunden, neben der üblichen Arbeit. Am Wahlsonntag haben die sogenannten "alten Computer mit Disketten" hervorragend funktioniert, d.h. es war keine einzige Panne zu beklagen, und auch die Speicherung der Stimmen auf die verschiedenen Disketten hat problemlos funktioniert. Wenn jetzt ein Problem mit der Totalisierungssoftware aufgetreten ist, so liegt dies nicht in der Verantwortung der Gemeinden, der Kantonsvorstände und ebenso wenig beim Hauptwahlvorstand in Eupen. Die zweite Möglichkeit der Annullierung der Stimmabgabe durch den Wähler ist neu und hat es vorher noch nie gegeben. Selbst das Innenministerium in Brüssel hat niemanden darauf hingewiesen. Zum Glück haben sowohl die beiden Kantonsvorstände als auch der Hauptwahlvorstand in Eupen sehr sachlich und besonnen reagiert, und keine voreiligen Entscheidungen getroffen. Mein Respekt hierfür !
Zu den Kritikern der Computerwahl : Bitte bedenken Sie einmal in Ruhe, welche praktischen Konsequenzen eine Rückkehr zur Papierwahl hätte. Dies erfordert einen viel höheren Personalaufwand. Angesichts der Tatsache dass es schon schwierig genug war Wahlhelfer zu finden, wäre eine entspannte Analyse der (leider) bedauerliche Auswertungspanne sicherlich
ratsam.
Ich bin Mensch, Politiker sagen : "jede Stimme zählt"!!!!! Ich möchte nicht das die Stimme (meine oder die eines jeden Menschen) annulliert wird. Liebe Politiker setzt euch ein!!! es geht um die Glaubwürdigkeit des höchsten Rechts auf freie Wahl.
Nicht REDEN - MACHEN!
Papierwahl hin oder her, ich denk mal das die Gedanken die eine Büllingerin im Blickpunkt äusserte, nämlich Wahl per Internet, mit den Sicherheitsstandards von "Tax on Web" also entweder ein "Token" oder ein Identitätskartenlesegerät für jeden, diejenigen die kein Internet haben, können bei ihrer Gemeindeverwaltung, in ihrem Altenheim, oder bei Verwandten (unter Mithilfe, nur beim letzten entscheidenen Schritt kriegt man nur gezeigt wie's geht, aber den Schritt macht man selbst) - man könnte sogar in den meisten Schulen auf die dortigen PC zurückgreifen, und am Schluss, lässt man sich seinen Stimmzettel ausdrucken, als Beleg an der Wahl teilgenommen zu haben - nur 'n Gedankenspiel
Sehr geehrter Herr Margraff,
schon mal was von Datenschutz in Belgien gehört ? Die zuständige Instanz in Brüssel wacht mit Argusaugen darüber.
Die Gemeinden werden jedenfalls regelmäßig daran erinnert...