Tja, es allein auf das Vorwahlabkommen schieben, wäre zu einfach. Ein solches an sich ist nicht undemokratisch, im Gegenteil. Es ermöglicht dem Wähler, das Pauschalangebot anzunehmen oder abzulehnen, und in Kelmis hat der Wähler es abgelehnt. So sieht es auch Luc Frank, der glücklose CSP-Präsident. In Raeren flog seine Partei aus der Mehrheit, René Chaineux kommentierte es so, wie man es von ihm erwartet.
In Eupen trug der scheidende Bürgermeister Elmar Keutgen seine Niederlage mit Fassung. In grünen Chirurgenkitteln hatten er und sein Kollegium am Altweiberdonnerstag tatendurstig verkündet "Wir schneiden die Stadt auf" und schafften es dann nicht, ihre beindruckenden Tiefbauarbeiten ins rechte ökologische Licht zu rücken.
Vor den gleichen o' wievern war Keutgens Vorgänger Fred Evers als JR Ewing aufgetreten, es hatte ihn die Schärpe gekostet. Jetzt verhalf Evers mit seinen mehr als 800 Stimmen Keutgens wahrscheinlichem Nachfolger Karl-Heinz Klinkenberg zur Schärpe.
Neben dem Bonus des Altbürgermeisters verfügte Evers über ein unbezahlbares Merkmal, für das die Engländer den Begriff des "Angry Old Man" geprägt haben, der mit nicht immer stimmigen, aber stets zornigen Leserbriefen die wichtigen Protestwähler anzieht. Und er war der einzige, der das konnte, nachdem ein Christoph Hennen sich des Protestwählerbonus selbst beraubt hatte.
Ein vierstelliges Ergebnis verpasste Evers wohl nur wegen der Katastrophe mit der Gemeindeholding. Die klarsichtige Analyse des Büllingers Friedhelm Wirtz dagegen in dieser Frage trug mit Sicherheit zu dessen großem Zuwachs von Stimmen und Sitzen bei und bestätigt ihn als Coming Man auf Gemeinschaftsebene.
CSP-Chef Frank sieht unterdessen die Felle wegschwimmen und rechnete öffentlich mit dem abgewählten Bürgermeister Grosch ab. Mit gezogenem Revolver stellt Frank sogar Groschs erneute Europakandidatur zur Disposition: High noon im BRF.
In einer alleinigen Überalterung seiner Kandidaten auf Gemeinde- und Gemeinschaftsebene das Übel suchen, das hieße allerdings zu kurz greifen. Im flämischen Gent war es der 60-jährige Bürgermeister Termont, der dort die N-VA-Flutwelle stoppte und für die große, in ganz Flandern hervorgehobene Ausnahme sorgte. Das weiß wohl auch Frank und ließ dann auch in dem Studiogespräch Kritik an den Personen anklingen.
Die Bürger dürfen jetzt nach Herzenslust rätseln. Etwa über die Frage, ob es in Eupen den automobilen Fred lange in grüner Gesellschaft hält oder ob ihn später mal die Fraktionslosigkeit reizt, ob sich grün und rot in Eupen über den Alten Schlachthof und die Ettersten einig werden, und wie es um die Tiefe des Freibades bestellt sein wird. Ganz zu schweigen von den herrlichen Spekulationen, ob und inwieweit Klötzerbahn und Gospert 42 mit im Regieraum saßen oder sitzen.
Und noch etwas fiel neben den Resultaten auf: dass diesmal der Wahlkampf anders war, und das hat mit den interaktiven Medien zu tun. Den Wählern kam zugute, dass sie gleich multimedial bedient wurden: mit Radio-und TV-Debatten, in der geschriebenen Presse, die auch eine Saalveranstaltung anbot, mit einem neuen Online-Magazin, Facebook nicht zu vergessen.
Wurde der Wahlkampf deswegen härter? Ich denke, es hat einen anderen, zumindest aber einen weiteren Grund: Die kommunale Ebene ist nicht mehr, wie es früher hieß, "die, die dem Bürger am nächsten ist", sondern sie hat an Macht gewonnen, und das in gehörigem Maße: Bürgermeister bestimmen mit im Polizeirat, etwa über Radarfallen und Überwachungskameras. Sie können hohe und weit gefächerte Ordnungsstrafen festlegen und verfügen über ein Ordnungsamt mit Befugnissen, an die man im einstmals liberalen Belgien nicht mal gedacht hätte.
Und mit der fiskalpolitisch unsinnigen Gemeinderegie - unsinnig, denn irgendwie bezahlt der Bürger die Mehrwehrtsteuer doch, dann eben anders - verfügen belgische Bürgermeister und Kollegien über Exekutivorgane wie mächtige Firmen, an den Gemeinderäten vorbei. Belgische Bürgermeister haben sicherheitspolitisch etwas von US-Sheriffs und auf der Managementebene stehen ihnen schlanke Strukturen zur Verfügung. Die kommunale Ebene hat an Wichtigkeit zugenommen.