Lüttich nimmt im internationalen Radsport eine Sonderstellung ein. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Tour-Start, um den sich die Metropolen in ganz Europa reißen, bereits zum zweiten Mal in Lüttich erfolgt.
Der Grund für die Rückkehr liegt gerade bei dieser Premiere vor sieben Jahren, der in Radsportkreisen und bei den Verantwortlichen der Tour de France einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Nach seinem Rücktritt als Direktor der Tour de France sagte Jean-Marie Leblanc, der Tourstart in Lüttich seiner 16-jährigen Tätigkeit an der Spitze des größten Radrennens der Welt eines der herausragenden Ereignisse gewesen.
Deshalb wird der Prolog zur Tour 2012 mit dem gleichen Konzept durchgezogen: Als Einzelzeitfahren über die großen Boulevards der Maasstadt. Am Samstag um 14 Uhr wird im Parc d'Avroy der erste Fahrer auf den sieben Kilometer langen Parcours geschickt. Der letzte Fahrer nimmt das Rennen um 17:17 Uhr in Angriff. Sieben Minuten später wird er im Ziel erwartet und der erste Träger des Gelben Trikots feststehen.
Schlenker durch Ostbelgien
Am Sonntag führt die erste eigentliche Etappe über 198 Kilometer von Lüttich in einer Schleife zurück nach Seraing. Wobei auf einem hügeligen Parcours einige Teilstücke des Ardennenklassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich befahren werden. Die deutschsprachige Gemeinschaft wird von der Tour-Karawane nicht durchfahren, die Ausnahme bildet die Ortschaft Recht. Kein Wunder, dass die Rechter der Tour einen großen Empfang bieten und für Sonntag Vormittag zum musikalischen Frühschoppen unter freiem Himmel eingeladen haben.
Gegen 12.00 Uhr soll die Werbekrawane durch die Ortschaft fahren, um 14 Uhr braust das Feld aus Bellevaux kommend heran und wird nach etwa einer Minute Richtung Vielsalm entschwunden sein. Danach wird sich das Interesse auf den Bildschirm konzentrieren und auf die Frage, ob Philippe Gilbert den Schlussanstieg in Seraing zum erhofften Etappensieg nutzen kann. Allerdings ist Philippe Gilbert bislang deutlich weniger souverän aufgetreten als im letzten Jahr und wird einen schweren Stand haben, beispielsweise gegen den Slowaken Peter Sagan, dem für die Ankunft in Seraing gute Chancen eingeräumt werden.
Wenn die Tour de France die Region mit der zweiten Etappe von Visé nach Tournai am Montag verlassen wird, dürften auch die Hoffnungen auf belgische Etappensiege erst mal entschwinden. Neben Philippe Gilbert ist nämlich Jelle Vanendert der zweite belgische Fahrer, der sich Hoffnungen auf einen Etappensieg macht. Doch der Limburger, der im letzten Jahr die schwere Pyrenäen-Etappe gewonnen hat, muss wohl die Vogesen abwarten, um sich in Szene setzen zu können.
Van den Brouck träumt vom Treppchen
Genau wie Jurgen Van den Brouck, dem eine gute Platzierung im Gesamtklassement zugetraut wird. Nach dem Sturz im letzten Jahr will Van den Brouck jetzt Versäumtes nachholen. Eine Top Ten-Platzierung ist das Minimalziel, realistisch scheint auch ein Platz unter den fünf Besten. Ein Traum wäre ein Podiumsplatz in Paris. Dafür hat der Antwerpener ein Jahr lang trainiert, um auch seine Leistung beim Zeitfahren zu verbessern.
Neben dem Prolog stehen bei der 9. und der 19. Etappe noch nämlich zwei weitere Zeitfahren mit einer Gesamtdistanz von fast 100 Kilometern auf dem Streckenplan. Die und nicht die Berge, wo die Favoriten immer abwartender fahren, werden für den Ausgang der Tour de France entscheidend sein, sagen die Experten. Womit dann auch deutlich ist, warum Vorjahressieger Cadel Evans und sein britischer Herausforderer Bradley Wiggins die Hauptanwärter für den Gesamtsieg bei dieser Tour de France sind.
Bild: Yorick Jansens (belga)