Schuldenfreie DG 2038 - Ein Kommentar

Und trotz Finanzkrise und schlechter Wirtschaftsdaten hält die Regierung um Ministerpräsident Lambertz weiterhin an einer schuldenfreien Deutschsprachigen Gemeinschaft im Jahr 2038 fest. Im besten Fall ist dies 'gewollte Augenwischerei' - im schlechtesten Fall 'abgehobene Selbstüberschätzung'.

Stellen Sie sich mal ein Elternpaar am Wohnzimmertisch vor. Es ist Abend, die Stimmung gedrückt, denn die Beiden beugen sich gerade über einen Haufen Rechnungen. Schließlich haben sie ihr Haus und ihren Neuwagen über Kredite finanziert. Und diese und andere Rechnungen wollen bezahlt werden.

Wenn die Beiden sich wie Politiker verhalten, dann könnte die Mutter dem Vater vorwerfen, dass er ja unbedingt ein neues Auto wollte. Der rechtfertigt sich, dass damit die Kinder zur Schule gefahren werden. Hätte die Mutter mal weniger neue Kleider für sich und die Kinder gekauft, giftet dieser zurück. Worauf die Mutter donnert, sie könne die Kinder nicht nackt zur Schule schicken. Und auch sie selbst wolle sich nicht in Lumpen hüllen.

Sollte den beiden klar werden, dass sich die Familie eigentlich schon den letzten Urlaub auf Mallorca nicht leisten konnte, dann lässt sich die Schuld dafür nicht einfach in die neuen Schuhe der Mutter schieben, aber auch nicht alleine am Auto festmachen. Die Familie lebt insgesamt über ihre Verhältnisse.

Am nächsten morgen teilt der Vater den Kindern mit, dass dieses Jahr zu Hause Urlaub gemacht wird. Ja vielleicht sogar jedes Jahr bis 2038, fügt er scherzhaft hinzu. Immerhin, die Familie ist in guter Gesellschaft. Wie die ganze Gesellschaft ist sie 'verschuldet'.

Ganze Gesellschaft ist 'verschuldet'

Viele Gemeinden haben Schulden, die Gemeinschaften in Belgien, die Regionen, der Föderalstaat ist verschuldet. Und auch die Nachbarstaaten. Sozusagen alle. An sich ist gegen Schulden nichts einzuwenden, wenn die Aussicht besteht, diese mal abzustottern. Laut Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz ist die DG im Jahr 2038 schuldenfrei.

Wenn sie sich die Frage stellen, warum nicht 2037 oder 2039, dann gibt es darauf eine einfache Antwort. 2038 ist die letzte Rate für das PPP-Schulbau-Projekt fällig. Deshalb wird auch kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die Rekordverschuldung immer in einem Atemzug mit den Schulbauprojekten zu nennen. Denn gegen diese Investition in die Zukunft lassen sich kaum ernsthafte Kritiker finden. Strategisch klug. Aber leider ist das Bild unvollkommen.

Die politisch Verantwortlichen um Karl-Heinz Lambertz haben sich auch ganz andere Dinge geleistet. Doch das sei an dieser Stelle mal beiseite gestellt. Selbst der, der schlecht über Lambertz denken mag, weiß, dass er die DG lieber heute als morgen schuldenfrei sähe.

2038 ist die DG schuldenfrei, lautet also die Botschaft des Ministerpräsidenten. Er hätte auch sagen können: Wir haben die Deutschsprachige Gemeinschaft  bis zum Jahr 2038 verschuldet. Hört sich nur nicht so gut an. Es heißt: In der Politik können fünf Tage eine Ewigkeit sein. Lambertz hat aber scheinbar den Durchblick bis zum Jahr 2038.

Lagen nicht schon andere Menschen mit ihren Voraussagen daneben?

"Das Radio hat keine Zukunft", meinte der Physiker Lord Kelvin vor über 100 Jahren. Dass die Mauer noch 50 oder 100 Jahre bestehen werde, wollte Erich Honecker im Schicksalsjahr 1989 wissen. Margaret Thatcher behauptete sogar einmal, dass zu ihren Lebzeiten keine Frau britischer Premierminister wird.

Vorhersagen und Prophezeiungen sind seit dem Orakel von Delphi populär. Besonders die Politik macht gerne davon Gebrauch.
Erinnern Sie sich noch an den ehemaligen deutschen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Er hatte im Amt Haushaltsüberschüsse ab 2010 angekündigt und eine schuldenfreie Bundesrepublik in Aussicht gestellt.

Das war aber vor der Wirtschafts- und Finanzkrise. Heute lautet die Frage, ob Deutschland jemals wieder schuldenfrei werden kann. So schnell kann sich das Blatt wenden. Nur zur Erinnerung: Die Dexia hat noch diesen Sommer den Banken-Stresstest grandios bestanden.

Zwischen heute und 2038 liegen ganze 26 Jahre. Versetzen wir uns mal 26 Jahre zurück. Ins Jahr 1985. Das Internet war noch nicht öffentlich zugänglich. Das gleiche gilt für die E-Mail. Und wer kannte Tschernobyl? US-Präsident Ronald Reagan setzte in seiner zweiten Amtszeit Nelson Mandela als Terrorist auf eine Watch List.

Mit dem Fall der Mauer endete nicht die Geschichte

Kaum zu glauben. Der Tablet-Computer iPAD von Apple war vor den letzten Föderalwahlen noch gar nicht im belgischen Handel erhältlich. Nun gut, wer hätte gedacht, dass es so lange dauern würde, bis eine neue Regierung steht.

Man kann Lambertz Aussage: 'Die DG ist 2038 schuldenfrei', für leichtsinnig halten. Vor allem aber ist sie vermessen. Er sagt nicht: Sie 'könnte' schuldenfrei sein. Nein, er sagt: Sie 'ist' schuldenfrei.

Dieses demokratische Verständnis sollte in Frage gestellt werden. Das Ziel 'schuldenfrei' müssen also andere Nachfolgeregierungen erreichen. Er selbst behält sich das Recht vor, Schulden zu machen.

Wenn 2038 von Karl-Heinz Lambertz die Rede sein wird, dann wird man vielleicht von einem Mann sprechen, der viel bewegt hat. Ein echter Macher. Aber halt auch ein Schuldenmacher.