Herr Keutgen, Sie waren in der Haftanstalt Lantin. Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke vor Ort?
Wir wurden vom Gefängnisdirektor empfangen und wurden unter anderem von der Bürgermeisterin von Juprelle und von der föderalen Ministerin Matz begleitet. Der Direktor hat uns gleich zu Beginn auf die Überbelegung des Gefängnisses hingewiesen. Die Kapazität des Gefängnisses liegt bei 744 Personen, aber momentan sind dort 1.100 Häftlinge untergebracht. Diese Überbelegung hat große Auswirkungen auf das Personal und die Insassen. Die Wärter sind überfordert, es gibt viele Krankheitsfälle und Burnout. Zudem sind die Insassen durch die mangelnden Ressourcen in vielen Bereichen benachteiligt, wie zum Beispiel in der Hygiene und Gesundheitsversorgung.
Welche konkreten Probleme konnten Sie bei der Gesundheitsversorgung der Häftlinge identifizieren?
Vor allem die langen Wartelisten für Arzttermine sind besorgniserregend. Die Insassen müssen oft wochenlang auf einen Termin warten, und es gibt Fälle, in denen Häftlinge aufgrund von Drogenproblemen oder psychischen Erkrankungen dringend medizinische Behandlung benötigen, diese aber nicht rechtzeitig erhalten. Zwar gibt es auch Fälle, in denen Insassen sich aus weniger dringlichen Gründen auf die Liste setzen lassen, aber die ernsten Fälle bleiben oft unversorgt.
Wie haben die Häftlinge und die Mitarbeiter der Haftanstalt auf den Besuch reagiert? Gab es wichtige Gespräche oder Rückmeldungen, die Sie erhalten haben?
Der Besuch stieß sowohl bei der Gefängnisdirektion als auch bei den Wärtern und den Insassen auf positive Reaktionen. Alle haben den Besuch als Gelegenheit gesehen, auf die bestehenden Probleme aufmerksam zu machen. Wir hatten sogar die Möglichkeit, eine überbelegte Zelle zu besuchen. In dieser Zelle schlafen normalerweise zwei Insassen in einem Etagenbett, aber aufgrund der Überbelegung war ein dritter Insasse auf einer Matratze untergebracht. Es war kalt und eng, und es war sehr offensichtlich, wie belastend diese Bedingungen für die Insassen sind.
Welche Änderungen oder Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung sind Ihrer Meinung nach sofort notwendig?
Es ist dringend notwendig, mehr medizinisches Personal bereitzustellen. Das Justizministerium muss es attraktiver machen, Ärzte und Pfleger für den Gefängnisdienst zu gewinnen. Es gibt zu wenig Interesse an dieser Arbeit, und das wirkt sich direkt auf die Gesundheitsversorgung aus. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Forderung der Ärztekammer, die Zuständigkeit für die Gesundheitsversorgung in den Gefängnissen vom Justizministerium an das Gesundheitsministerium zu übertragen. Das Gesundheitsministerium würde über mehr Expertise und Ressourcen verfügen, um die Versorgung zu verbessern. Wir müssen uns bewusst machen, dass sich unsere Gesellschaft auch im Gefängnis befindet. Diese Menschen müssen resozialisiert werden, um später ihren Platz außerhalb des Gefängnisses zu finden.
Was für ein Bauchgefühl entwickeln Sie, wenn es um die Zukunft der Gefängnisse geht?
Ich habe eher ein schlechtes Gefühl, was die Zukunft betrifft. Die Überbelegung hat sich in den letzten zehn Jahren immer weiter verschärft, und es wird dringend notwendig sein, Lösungen zu finden. Das Justizministerium muss jetzt handeln, bevor die Situation noch schlimmer wird.
Was passiert, wenn wir nicht Herr der Situation werden?
Das Worst-Case-Szenario ist eine noch schlimmere Überbelegung, die zu weiteren Belastungen für das Personal und die Insassen führt. Zudem könnten die Gerichte beginnen, vermehrt auf alternative Strafmaßnahmen zurückzugreifen - wie Bewährungsstrafen, elektronische Überwachung oder Arbeitsstrafen. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Gefängnisse zu entlasten und die Überbelegung zumindest etwas zu mindern.
Dogan Malicki
Ungefähr die Hälfte der Insassen sind keine Belgier. Warum können die ihre Strafe nicht im Heimatland absitzen ? Dann wäre schnell Platz in den Gefängnissen.