Gegründet wurde der Wirtschafts- und Sozialrat Ostbelgien im Jahr 2000. Grund war die Übernahme des ersten Beschäftigungspakets der Wallonie durch die Deutschsprachige Gemeinschaft. "Das war ein großer Vorteil für uns, weil die sozioökonomischen Gegebenheiten zwischen der Wallonie und der DG, gerade was den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft angeht, unterschiedlich sind. In der DG ist die Arbeitslosenrate zum Beispiel viel niedriger. Deshalb war es von großer Bedeutung, dass die Beschäftigungszuständigkeit von der Wallonie an die Deutschsprachige Gemeinschaft überging. Das hat es uns erlaubt, hier eigenständig und maßgeschneidert agieren zu können", erklärt Volker Klinges. Er war von Anfang an dabei. Heute ist er der erste Vizepräsident des WSR.
Der WSR ersetzte damals den subregionalen Ausschuss SABA. Anfangs ging es vor allem um Ausbildung und Beschäftigung. Doch mit den Jahren wurde der Themenkatalog breiter. "Im Zug verschiedener Zuständigkeitsübertragungen hat der WSR sein Arbeitsspektrum doch stark erweitern dürfen und teilweise auch müssen", sagt Stephan Mathieu, Ratssekretär des WRS. "Der Wunsch der Sozialpartner war immer, dabei zu sein und mitreden zu dürfen, wenn neue Zuständigkeiten kommen und hier vor Ort umgestaltet und neugestaltet werden. Das bedeutete dann für uns, dass wir uns stark in Themen einarbeiten mussten, auch wenn wir zunächst nichts damit zutun hatten. Das hat einiges an Kraft gekostet und auch den Horizont stark erweitert."
Demografische Entwicklung Dauerthema
So hat der Wirtschafts- und Sozialrat Ostbelgien in den vergangenen 25 Jahren zahlreiche Gutachten erstellt, Studien durchgeführt und Lösungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer entwickelt. Zu den wohl prägendsten Themen des WSR zählte die Übernahme des zweiten Beschäftigungspakets durch die DG, an dem der Rat maßgeblich beteiligt war. Der WSR greift aber auch selbst Themen auf, die von Mitgliedern vorgeschlagen werden. In der Vergangenheit ist das zum Beispiel durch eine Studie zur Seniorenwirtschaft geschehen. Aktuell untersucht der Rat das Thema Prekarität bei Jugendlichen.

Manche Themen begleiten den Rat beinahe durchgängig, zum Beispiel die demografische Entwicklung. "Wir haben im Jahr 2006 eine Studie mit dem Titel 'Die DG als Rentnerstaat' veröffentlicht", so Mathieu. "Darin haben wir schon sehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ersatzquote in Ostbelgien zu niedrig sein wird - also dass auf dem Arbeitsmarkt nicht genügend junge Leute nachkommen. Wir sind jetzt schon fast seit 20 Jahren mit dem Thema unterwegs und offensichtlich haben wir es noch nicht genug behandelt, denn das Problem ist noch nicht gelöst. Aber wir müssen es immer wieder thematisieren. Es ist wichtig, dass wir dranbleiben."
Zu den Aufgaben des WSR zählt auch der regelmäßige Kontakt mit der DG-Regierung, so Volker Klinges. Jeder Akteur müsse seine Rolle spielen. "Wir als Sozialpartner empfehlen, wir schlagen vor, und am Ende ist es ein Spiel der Argumente. Wir treffen regelmäßig die Regierung und versuchen natürlich auch, die Regierung von unseren Positionen und Stellungnahmen zu überzeugen. Am Ende des Tages steht die Politik in der Verantwortung. Entweder setzt sie es dann nach ihrer Denkweise um oder nach den Vorschlägen der Sozialpartner. Das ist das Spiel der Demokratie zwischen Politik, Sozialpartnern und der organisierten Zivilgesellschaft."
Dass Vorschläge vom WSR eins zu eins von der Regierung umgesetzt werden, passiert nur selten, sagt Volker Klinges. Nichtsdestotrotz habe der Rat bei vielen Entscheidungen aus der Vergangenheit seine Handschrift hinterlassen. Zum Beispiel bei dem Thema Beschäftigung, aber auch bei der Raumordnung oder im Energiewesen. Ziel des WSR sei es immer wieder, geschlossen nach außen zu treten. Das ist nicht immer einfach, denn auch die Interessen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern gehen innerhalb des Rates oft auseinander.
"Wenn es nicht möglich ist, sich zu einigen, dann versuchen wir nicht zwingend, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Stattdessen versuchen wir dann von jeder Bank aus eine eigene Position zu formulieren, die wir der Regierung präsentieren. So merkt die Politik auch, dass das ein Thema ist, an das man vorsichtig herangehen sollte", sagt Klinges.
Wichtiges demokratisches Mittel
Die Balance zwischen einer klaren Positionierung auf der einen und einem gemeinsamen Auftritt auf der anderen Seite, kennt auch Laurie Van Isacker gut. Ursprünglich kam sie auf der Seite der Arbeitnehmervertretung für die FGTB in den Rat. Mittlerweile ist sie Präsidentin. Diese neutrale Rolle einzunehmen sei eine Herausforderung gewesen, der Perspektivwechsel aber wichtig.
Auch heute ist und bleibt der Rat ein wichtiges demokratisches Mittel im Angesicht neuer Herausforderungen, so Isacker. "Die Deutschsprachige Gemeinschaft wird sich ja noch weiterentwickeln. Eine Herausforderung für den WSR wird dann vielleicht die vierte Region sein. Dann werden weitere Kompetenzen übertragen und dann muss der WSR da sein. Denn für jede neue Kompetenz werden Gutachten und Bewertungen gebraucht und der Sozialdialog bleibt wichtig, um Demokratie zu leben."
Nach 25 Jahren will der WSR sich auch intern weiterentwickeln. Mit der Neubesetzung im März 2026 ändert sich die Struktur des Rates: Statt sieben Vertretern pro Seite und einem neutralen Präsidenten stellen die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmervertretung dann alle zwei Jahre abwechselnd einen Präsidenten. Außerdem verlängert sich die Amtszeit des gesamten Rates von fünf auf sechs Jahre.
Lindsay Ahn