Angefangen hat die Geschichte mit zwei Gerichtsprozessen. Einmal ging es um ein Protokoll wegen überhöhter Geschwindigkeit und einmal um ein Protokoll der Agentur für Lebensmittelsicherheit. In beiden Fällen wurden die Übertretungen auf dem Gebiet der DG festgestellt, aber die Protokolle auf Französisch angefertigt. In beiden Fällen sprach das betroffene Gericht die Beschuldigten frei, weil sie das Protokoll nicht auf Deutsch erhalten hatten.
Die Eupener Staatanwaltschaft legte gegen beide Urteile Berufung ein. Daraufhin bat das Berufungsgericht den Verfassungsgerichtshof, die Frage endgültig zu klären. Der gab den Klägern Recht: Protokolle auf Französisch für Straftaten im deutschsprachigen Gebiet sind verfassungswidrig. Und das gilt nicht nur in den beiden vorliegenden Fällen, erklärt Anwalt David Hannen.
Er war einer der Anwälte, die vor dem Verfassungsgericht für eine Anullierung der Protokolle argumentiert haben: "Das Urteil hat eine viel größere Tragweite. Es betrifft alle Protokolle, die für Straftaten auf dem Gebiet der DG erstellt werden." Also auch zum Beispiel für die Umweltpolizei. Da werden im Moment die Protokolle zwar im Norden der DG auf Deutsch erstellt, aber im Süden der DG auch teilweise nicht.
Die Protokolle wurden auf Französisch erstellt, weil die Beamten, die die jeweiligen Protokolle verfasst haben, im französischsprachigen Landesteil sitzen. Normalerweise muss ein Protokoll immer in der Sprache von dem Ort verfasst werden, an dem es erstellt wird. Das Verfassungsgericht hat eine Ausnahme von der Regelung geschaffen, weil es nach Meinung des Gerichts wichtiger ist, dass ein deutschsprachiger Belgier ein Protokoll verstehen kann, als dass die normale Regel befolgt wird.
Das Urteil ist übrigens keine Einladung für Raser, denn inzwischen werden wieder alle Protokolle im Bereich Verkehr von der Polizei hier vor Ort auf Deutsch erstellt. Vorher ging ein Teil der Protokolle aus der Eifel direkt nach Namur, damit ist Schluss.
Es geht sogar noch weiter, denn am Montag haben bei der Eifelpolizei in St. Vith zwei neue Beamte der Föderalen Polizei ihren Dienst aufgenommen. Dort gibt es also jetzt ein Satellitenbüro des Bearbeitungszentrums aus Namur. Das Büro wird ungefähr Anfang Januar die Bearbeitung von allen Blitzer-Knöllchen aus der DG übernehmen.
Für den Bürger macht das keinen Unterschied, für die Beamten ist das eine riesige Erleichterung, denn die Föderale Polizei hat einen speziellen Dienst für Massenprotokolle. Wenn die Polizei zum Beispiel ein Lidar aufstellt, kommen schnell Tausende Protokolle zusammen. Ein Beamter der lokalen Polizei braucht für die Bearbeitung eines Protokolls nur wenige Minuten, aber das summiert sich trotzdem. Die Beamten der Föderalen Polizei brauchen dagegen nur ein paar Sekunden.
So hat das Problem ja auch angefangen: Die Polizei der Zone Eifel hatte die Erstellung von einigen Protokollen nach Namur ausgelagert, weil die Beamten mehr am Schreibtisch als auf der Straße saßen. Das ist nicht Sinn und Zweck seiner Polizisten, fand damals der Eifeler Zonenchef. Jetzt werden also wieder Kapazitäten frei, damit die Polizei mehr Präsenz zeigen kann.
Die Eupener Staatsanwaltschaft reagiert indes mit "Überraschung und Entsetzen" auf die Entscheidung. Die Prokuratorin des Königs, Andrea Tilgenkamp, fragt sich: "Was ist denn zum Beispiel, wenn ein tödlicher Unfall auf der Autobahn zwischen Welkenraedt und Lichtenbusch passiert und kein deutschsprachiger Polizist da ist, um den Unfall zu protokollieren? Geht der Täter dann straffrei aus? Dürfen wir ihn nicht mehr verfolgen?"
Weil das Urteil so eine große Tragweite hat und - wie eben gesagt - auch auf andere Protokolle anwendbar ist, könnte es laut Andrea Tilgenkamp im schlimmsten Fall dazu kommen, dass "Ostbelgien in manchen Bereichen zum rechtsfreien Raum wird. Denn es gibt ja nicht nur die Polizei, die Protokolle erstellt, sondern zahlreiche staatliche Organe, und so ziemlich überall sind deutschsprachige Beamte Mangelware".
Das Thema wird uns also noch weiter verfolgen, denn in der Zwischenzeit hat die Staatsanwaltschaft keine andere Wahl, als sich an das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zu halten und Prozesse, die sich ausschließlich auf ein betroffenes Protokoll stützen, fallen zu lassen.
Anne Kelleter
Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden. Punkt.