Durch ein neues Dekret wurde das Statut der Fachpflegefamilie geschaffen. Anders als bei klassischen Pflegefamilien handelt es sich dabei um eine Vollzeitbeschäftigung. Fachpflegefamilien nehmen mindestens drei Pflegekinder auf und übernehmen eine intensive betreuerische Aufgabe.
"Es kann ja sehr komplexe Situationen geben, die vielleicht eine einfache Pflegefamilie überfordern können", erklärt Familien- und Sozialministerin Lydia Klinkenberg. "Dann braucht es auch den pädagogischen Input und die Reflexionsfähigkeit. Das Ganze wird ja auch unterstützt vom Fachbereich Jugendhilfe. Das ist ein Umfeld, das sowohl die Möglichkeit gibt, Geschwister zusammenzulassen, aber andererseits auch komplexere Fälle aufzufangen."
Gesucht werden Familien, Paare und auch Singles – mit oder ohne eigene Kinder. Entscheidend sind fachliche Eignung und die Bereitschaft, mehreren Kindern mit besonderen Bedürfnissen ein stabiles Zuhause zu bieten.
Andrea und Michael Seidlitz aus Ostbelgien sind seit 19 Jahren Pflegeeltern und haben in dieser Zeit sieben Kinder betreut. Sie wissen aus Erfahrung, dass Pflege elterliche Hingabe, Geduld und Flexibilität erfordert.
"Unterschätzen kann man, dass eine Pflegschaft viel Zeit braucht, Flexibilität und auch Selbstreflexion. Auch das Annehmen von Hilfe sollte genauso wie professioneller Umgang mit sich und den Behörden eine Selbstverständlichkeit sein", sagt Andrea Seidlitz.
Viele Pflegekinder bringen schwere emotionale Erfahrungen mit. "Das zeigt sich eigentlich immer erst dann, wenn die Kinder beginnen, Vertrauen aufzubauen", erklärt Michael Seidlitz. "In dem Moment öffnen sie sich. Teilweise erfährt man dann auch erst, was sie vorher erlebt haben. Die Kinder kommen halt mit einer Vorgeschichte. Dann ist es wichtig, darauf flexibel zu reagieren, um die Hilfe zu geben, die notwendig ist."
In manchen Fällen treten auch zusätzliche Herausforderungen auf – etwa Krankheiten oder Entwicklungsstörungen, die erst später sichtbar werden. Laut Ministerium handelt es sich dabei häufig um Essstörungen, Autismus oder Folgen von Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft.
Auch damit wissen Andrea und Michael Seidlitz umzugehen: "Das kann passieren, denn die Anzeichen sind nicht direkt sichtbar. Zumal wenn das Kind fremd in der Familie ist, zeigt es seine Verhaltensauffälligkeiten erst mal nicht. Die kommen unter Umständen erst nach Jahren zum Vorschein. Dann muss man entsprechend handeln.“ Zwei bis drei Therapietermine pro Woche sind für Fachpflegefamilien dann möglich.
Die Anforderungen sind hoch, denn jeden Tag gilt es, auf neue Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Ein Diplom im sozialen Bereich ist daher in der Regel Voraussetzung.
"Auch wenn wir bei Fachpflegefamilien ein gewisses Diplom voraussetzen, bieten wir natürlich auch eine Begleitung an", betont Michael Fryns, Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe im Ministerium. "Darunter fallen Weiterbildungen, Coaching oder Unterstützung, wenn es Krisen gibt, damit die Pflegefamilie nicht alleine ist. Dafür ist der Pflegefamiliendienst da. Notfalls werden auch externe Fachkräfte hinzugezogen. Wenn das Pflegekind eine besondere Betreuung oder Therapie braucht, wird das ebenfalls vom Pflegefamiliendienst übernommen."
Das Engagement als Fachpflegefamilie ist damit weit mehr als ein Beruf – es ist eine Lebensaufgabe mit Herz, Verantwortung und viel Platz für Menschlichkeit.
Manuel Zimmermann