In der Küche des Haus Vitus wird fleißig geschnippelt. Auf dem Speiseplan steht Chilli Con Carne. Die Bewohner kümmern sich um die Beilagensalate. Das Kochen ist eine der vielen Aktivitäten, an denen sie jeden Tag teilnehmen können.
Mit am Tisch sitzt auch Sylvia. Sie leidet an einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS). Nach schweren Schicksalsschlägen fühlt sie sich im Haus Vitus sicher. "Das Haus gibt mir Struktur, das gibt mir Sinn und ich lebe gerne hier. Nachts ist jemand da, der nach uns guckt."
"Wir haben auch Aktivitäten wie Kochen oder Gedächtnistraining. Wir machen auch Sport und Sitzgymnastik. Das ist gut für mich, denn ich kann nicht gut laufen. Wir machen hier auch sehr viel selbst, machen die Wäsche oder bügeln. Wir haben einen Gemüsegarten, den wir bewirtschaften. Auch das kleine Häuschen vor dem Gebäude haben wir selbst aus Holz gebaut. Es ist richtig toll, hier werden schöne Sachen gemacht."
Auch Gesprächsrunden, Ausflüge oder Projektateliers werden angeboten. Die zahlreichen Aktivitäten helfen dabei, Struktur in den Tag der Bewohner zu bringen. Außerdem erhalten und stärken sie die Selbstständigkeit, erklärt Claudine Kalbusch. Seit Mai 2023 leitet sie das Haus Vitus. Alle 30 Plätze in dem psychiatrischen Pflegewohnheim sind belegt. Außerdem gibt es eine Warteliste mit zehn Menschen. "Man könnte jetzt denken, dass zehn Personen wenig sind. Aber in der Wirklichkeit wird es Jahre dauern, bis die letzte Person auf dieser Warteliste hier einzieht."
"Das ist schon ein großer Druck. Ich kenne diesen Druck durch meine vorherige Tätigkeit als Sozialassistentin. Da war es wirklich sehr oft schwierig, die Menschen unterzubringen. Bei den Menschen, die sich auf der Warteliste befinden, kommt es nicht selten dazu, dass sie in regelmäßigen Abständen hospitalisiert werden müssen, oder die ambulanten Dienste, die die Personen auffangen müssen, an ihre Grenzen stoßen."
Wer einmal im Haus Vitus lebt, bleibt meist für eine längere Zeit. Die Rückkehr in ein völlig eigenständiges Leben schaffen nur wenige. Das Haus bietet einen geschützten Rahmen - für Menschen mit ganz unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. "Es sind Menschen hier, die unter Psychosen oder Schizophrenie leiden. Auch Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder harten Suchterkrankungen, Zwangs- oder Angststörungen. Wir können aber auch sagen, dass das Zusammenleben hier doch erstaunlich gut klappt- dafür, dass 30 Personen hier mit schweren Erkrankungen und unterschiedlichen Diagnosen leben. Das liegt natürlich auch daran, dass wir hier so ein tolles Team haben, das sich um die Bewohner kümmert."
Auch wenn das Thema psychische Gesundheit heute offener diskutiert wird - Vorurteile gibt es immer noch. "Deshalb nennen wir das Gebäude in der Regel "Haus Vitus" und nicht "psychiatrisches Pflegewohnheim". Das ist für die Bewohner nach außen hin viel weniger stigmatisierend, wenn sie sich zum Beispiel irgendwo einschreiben wollen, wo man die Adresse braucht."
"Fragen, die mir Menschen oft stellen: Ob die Bewohner das Haus verlassen dürfen oder ob sie gefährlich sind. Dadurch, dass wir die Bewohner so eng begleiten, merken wir schnell, wenn es einem Bewohner schlecht geht oder er in eine Krise fällt. Dann können wir eingreifen. Sie sind auf jeden Fall nicht gefährlich", sagt Kalbusch.
"Das hier ist ein offenes Haus, natürlich dürfen die Bewohner das Gebäude verlassen, wenn sie das möchten. Das sind Menschen wie du und ich, die aufgrund ihrer Krankheit kein selbstständiges Leben mehr führen können. Das kann wirklich jeden treffen. Die Menschen hier sind es wert, dass wir ihnen einen Platz in dem Haus Vitus, aber auch in der Gesellschaft geben."
So gibt es durchaus auch Bewohner, die arbeiten gehen oder sich ehrenamtlich in verschiedenen Projekten engagieren. Neben Sport, der Gartenarbeit oder regelmäßigen Besuchen auf einem Bauernhof nimmt auch das Theaterspiel als Form der Therapie einen großen Stellenwert im Haus Vitus ein. Aktuell probt die Theatergruppe für das Stück "Die Casting-Show des Lebens".
Bewohner Herbert hat auf der Bühne besonders viel Spaß. "Das hat eine Leichtigkeit. Man spielt nur Theater und muss körperlich in dem Moment nicht so viel leisten. Man muss nicht arbeiten und man muss auch nicht scharf nachdenken. Für mich ist es einfach."
"Die Casting Show des Lebens" soll Vorurteile in Frage stellen und zeigen, dass jeder Mensch wertvoll ist. Präsentiert wird das Stück am 26. und 27. November im Triangel in St. Vith.
Wenn ihr Hilfe braucht, dann zögert nicht - kontaktiert das Netzwerk Mentale Gesundheit Ostbelgien oder die Telefonhilfe 108.
Lindsay Ahn