Die Pläne von Frank Vandenbroucke stoßen bei der Ärzteschaft auf Widerstand. So vehement lehnen die Ärzte den Gesetzesentwurf ab, dass ein Großteil von ihnen in den Streik getreten ist - zum ersten Mal seit 25 Jahren. Das belege, wie wichtig den Ärzten die Sache sei, sagt Dr. Tom van Leemput, Chefarzt des Eupener St. Nikolaus-Hospitals. "Alle unsere Ärzte sind selbstständige Ärzte. Jedem Arzt steht es frei, zu entscheiden, ob er heute streikt oder nicht. Wir als Institution unterstützen den Streik."
Grundversorgung gewährleistet
Der Streik sollte nicht die Patienten treffen - die beiden Krankenhäuser in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hatten entsprechende Vorkehrungen getroffen. So wurden alle betroffenen Patienten vorab über den Streik informiert, Termine für Untersuchungen auf ein zeitnahes Datum verlegt und die Notaufnahmen darauf vorbereitet, dass eventuell mehr Patienten als sonst vorstellig würden. Auch die Grundversorgung in jedem Fachbereich sei gewährleistet, versicherten beide Kliniken.
Es gehe den Ärzten beim Streik nicht um höhere Honorare, sagt Dr. von Leemput - man mache sich Sorgen um die Qualität der Gesundheitsversorgung. "Wir haben eins der besten Gesundheitssysteme weltweit, und wir haben Angst, dass es mit den Reformen des föderalen Gesundheitsministers nicht mehr zu halten ist."
Vier Hauptkritikpunkte der Ärzte
Frank Vandenbroucke hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, an dem die Ärzteschaft im wesentlichen vier Punkte kritisiert: Die Reform ist in ihren Augen überhastet und ohne Dialog mit den Akteuren vor Ort erarbeitet worden. Punkt zwei: Das Statut der teilweisen Nicht-Konventionierung der Ärzte hat nach Angaben von van Leemput immer ein Gleichgewicht geschaffen zwischen Freiheit, Zugänglichkeit und Versorgungsqualität - wenn dieses Statut gestrichen werde, schränke dies in der Praxis die Wahl der Ärzte für die Patienten ein, so das Argument.
Der dritte Kritikpunkt betrifft die Zulassung (LIKIV- oder INAMI-Nummer). Während der föderale Gesundheitsminister darin eine Möglichkeit sieht, dubiosen Gesundheitsdienstleistern die Zulassung zu entziehen, vermisst Dr. van Leemput hier klare Kriterien. "Unser föderaler Gesundheitsminister nimmt sich in seiner Reform die Möglichkeit, die Berufszulassung - die LIKIV-Nummer der Ärzte - einzuziehen. Wenn es da keinen klaren rechtlichen Rahmen und kein geregeltes Einspruchsrecht gibt, dann droht uns als Ärzten immer die Gefahr, dass er unsere LIKIV-Nummer von heute auf morgen einziehen kann und dass wir morgen nicht mehr arbeiten können. Dann hat er komplette Macht über uns."
Ein weiteres Element der geplanten Reform: die Zusatzhonorare der Ärzte. Für Dr. van Leemput wird diese Thematik in der Öffentlichkeit zu einseitig dargestellt. Es sei keineswegs so, als würden damit vor allem die Ärzte reich. Vielmehr seien diese Zusatzhonorare für viele Krankenhäuser absolut notwendig, um ihre Finanzierung abzusichern. Würden diese gestrichen, käme die Mehrheit der belgischen Krankenhäuser in große finanzielle Schwierigkeiten.
Anders als in Deutschland hätten die Zusatzhonorare keinen Einfluss auf die Behandlung. "Das ist nicht so wie in Deutschland ein Erste- und Zweite-Klasse-System. Das ist ein Zuschlag für Patienten, wenn sie in einem Ein-Bett-Zimmer liegen. Wenn ich morgen bei zwei Patienten eine Hüftprothese einsetze, weiß ich noch nicht einmal, wer von beiden ein Ein-Bett-Zimmer hat. Beide bekommen genau die gleiche Versorgung, genau die gleiche Prothese."
Die Patienten mit dieser Zusatzversicherung hätten nur unter Umständen mehr Komfort, weil sie ihr Zimmer nicht mit einem anderen Patienten teilen müssten. Dafür hätten sie diese Zusatzversicherung ja auch abgeschlossen, sagt van Leemput. Es sei auch genau diese private Zusatzversicherung, die die Honorarzuschläge bezahlen würde. Wenn der Minister also die Zusatzhonorare streichen würde, würde er nicht beim Patienten sparen und auch nicht beim LIKIV, sonder er spare bei den privaten Zusatzversicherungen.
Mögliche Konsequenzen für die Patienten
Wenn die Reform so komme, wie Frank Vandenbroucke das momentan vorhabe, sei das mit erheblichen Konsequenzen für die Patienten verbunden, so die Befürchtung von Dr. van Leemput. "Weniger freie Arztwahl, weniger Innovation, weniger wohnortnahe Versorgung, längere Wartezeiten. Ein Beispiel: In England warten Patienten Monate oder Jahre auf eine neue Hüft- oder Knieprothese. Ein solches System möchten wir hier nicht haben."
Die nächste Konzertierungsrunde ist für den 11. Juli vorgesehen. Ob anschließend wieder gestreikt wird, wird von den Ergebnissen abhängen. Sowohl Dr. van Leemput als auch sein Kollege Paul Pardon, ärztlicher Direktor der Klink St. Vith, wünschen sich vom Gesundheitsminister mehr Dialog mit den Ärzten.
Gaby Zeimers