Maurice Molitor, wir haben hier in Ostbelgien gesehen, dass "40 Jahre Schengen" in Luxemburg ganz besonders zelebriert worden ist - auch in der Bevölkerung, von den Luxemburgern?
Ja, also das ist für uns Alltag geworden. Wir haben nicht diesen Geburtstag gebraucht, um uns der Bedeutung des Schengener Abkommens bewusst zu werden. Kein Luxemburger lebt mehr als, was weiß ich, 40-50 Kilometer von irgendeiner Grenze entfernt. Viele sogar sehr nahe dran oder leben sogar im nahen Ausland: Wegen der hohen Immobilienpreise in Luxemburg ist es ja so, dass mittlerweile viele Luxemburger im nahen Grenzgebiet leben müssen. Insofern haben wir jetzt nicht diesen runden Geburtstag gebraucht, um uns der Bedeutung des Tages bewusst zu werden. Die deutschen Grenzkontrollen sorgen aber schon für sehr viel Aufregung und Diskussionen.
Da hat auch der luxemburgische Innenminister Léon Gloden aufhorchen lassen. Er hat ja seinem Kollegen, dem deutschen Innenminister Alexander Dobrindt, sozusagen die Leviten gelesen. Luxemburg hat bei der EU-Kommission gegen die verlängerten Grenzkontrollen Beschwerde eingelegt. Wie wird das in Luxemburg erfahren? Sieht man darin eine Bestätigung oder sagt man sich: das ist vielleicht eine Nummer zu groß?
Ja, es ist natürlich deutsche Innenpolitik. Das ist eine Konsequenz des Wahlkampfes, des Wahlergebnisses bei den Bundestagswahlen, das dazu geführt hat, dass die neue Bundesregierung unter CDU-Führung dann gleich diese verschärften Grenzkontrollen eingeführt hat. Das hat sie ja auch immer angekündigt während der Wahlkampagne. Insofern war es eigentlich zu erwarten. Es geht darum, zu verhindern, dass die AfD immer mehr Zustimmung bekommt. Und wenn man jetzt diese Umfrageergebnisse die letzten sich anguckt, dann geht in dem Sinne die Rechnung ja auch auf. Das ändert aber nichts daran, dass es natürlich sehr ärgerlich ist für die Leute, die täglich über die Grenze fahren müssen, um nach Luxemburg zur Arbeit zu kommen.
Von diesen Grenzpendlern gibt es ja auch einige aus Ostbelgien. Jetzt gehen wir davon aus, dass von diesen verschärften deutschen Grenzkontrollen natürlich vor allen Dingen die deutschen Grenzpendler betroffen sind oder die eben angesprochenen Luxemburger, die in Deutschland leben. Mit welchen Belastungen müssen die denn momentan zurechtkommen?
Die verlieren einfach unheimlich viel Zeit und verstehen nicht so recht warum. Der Sinn dieser Grenzkontrollen erschließt sich ja auch nicht jedem. Viele sehen darin doch einen Aktivismus, der nicht unbedingt zielführend ist. Aber vielleicht ist es mal auch interessant, sich die Größenordnungen zu vergegenwärtigen. Es gibt in Luxemburg insgesamt 485.000 Arbeitsplätze. 228.000, also fast die Hälfte davon, werden von Grenzpendlern wahrgenommen. Die meisten, fast 125.000, kommen aus Frankreich. Aus Belgien und Deutschland kommen jeweils ungefähr 52.000-53.000. D.h. also 53.000 Menschen kommen täglich aus Deutschland zur Arbeit nach Luxemburg. Und eine Vielzahl dieser Menschen hat jetzt das Problem, dass sie wenn nicht täglich, dann doch mehrmals pro Woche oder zumindest punktuell Staus ertragen müssen, die ohne diese Grenzkontrollen nicht existieren würden. Staus gibt es ja auch schon ohne Grenzkontrollen zu häufig. Insofern ist das wirklich nicht nötig, dass man noch zusätzliche Staus produziert.
Radio 100,7 hat über eine Umfrage unter deutschen Grenzgängern berichtet mit ziemlich eindeutigen Stellungnahmen zu diesem Thema ...
Ja, es geht um eine Umfrage der deutsch-luxemburgischen Wirtschaftsinitiative (DLW-I). Man muss dazu sagen, die ist nicht repräsentativ, sie ist nicht nach strengen demoskopischen Kriterien erstellt worden, sondern es ist wirklich so eine Umfrage, auf die sich Menschen melden konnten. Aber es ist nicht versucht worden, da sämtliche Alterskategorien und was weiß ich proportional zu motivieren, diese zu beantworten. Aber trotzdem geht daraus ein klares Signal hervor: Mehr als 60 Prozent fühlen sich durch die Grenzkontrollen beeinträchtigt. Und es geht so weit, dass fast ein Drittel der Menschen oder zumindest der Menschen, die geantwortet haben auf diese Umfrage, darüber nachdenkt, den Arbeitsplatz zu wechseln wegen der Belastung durch die Grenzkontrollen. Das ist für Luxemburg eine katastrophale Nachricht, weil es in vielen Bereichen sowieso schon sehr schwer fällt, noch Arbeitskräfte zu finden, die Arbeitskräfte zu finden, die man braucht. Und wenn durch diese Grenzkontrollen noch Leute, die schon mal hier sind, auch noch wegfallen, wäre das eine katastrophale Nachricht. Das zieht sich quer durch die Wirtschaft, aber in einigen Bereichen ist es besonders schlimm. Das hat man auch während der Corona-Pandemie schon gemerkt. Im Gesundheitsbereich zum Beispiel, wo eine Vielzahl der Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aus dem deutschen Grenzgebiet kommen. Und wenn die einen Arbeitsplatz bei sich zu Hause annehmen würden und hier in Luxemburg kündigen, dann wäre das eine ziemliche Katastrophe.
Rund um "40 Jahre Schengen" ist auch darüber diskutiert worden, in welche Richtung es gehen könnte mit der Freizügigkeit. Wie sind da die Erwartungen in Luxemburg?
Die Erwartungen sind einfach die, dass irgendwann wieder alles so wird, wie es war und wie es ja eigentlich auch gedacht ist. "Schengen" steht für "Grenzkontrollen, die es nicht mehr gibt". Und heute muss man feststellen, dass eine Vielzahl von Schengen-Ländern, die sich also zu diesem grenzenlosen Raum bekannt haben, dass die etwas machen, das völlig im Gegensatz zum Esprit dieses Abkommens steht, nämlich wieder Grenzkontrollen einführen. Da kann man sich schon fragen: Was soll das denn?
Stephan Pesch
Alle Länder des Schengenraums haben gemeinsame Grenzkontrollen der Außengrenze zu beanspruchen sowie ihre Polizeibeamten freiwillig dorthin zu entsenden selbst wenn außerhalb von Deutschland "nur" Transmigration viele EU-Länder belastet. Beispiel Griechenland, Italien, Spanien, Oesterreich, Schweiz.
Sprechen wir nochmal mein bereits erwähntes Streitthema Luxemburg an. Ich schrieb bereits dass Deutschland durch seine Grenzwachen freiwillig neben der EU-Außengrenze zumindest für ne gewisse Zeit "Transmigranten-Ländern" wie Luxemburg unbürokratische Hilfe anbieten soll. Weil auch Luxemburg, Italien, Oesterreich und Co. ein Bedürfnis beanspruchen für "Transmigranten-sichere" Grenzen in ihren Ländern.
Und keine Klagen vom Franzosen, dem Polen oder wem auch immer bitte! Oesterreich macht solchen "Grenzschutz-Saboteuren" knallhart und konsequent einen Strich durch die Rechnung. Einfach durch deren ungefragte Entsendung von Polizei und Bundesheer in Durchgangsländer wie Ungarn und Slowakei statt illegaler Einschleuserei nach Deutschland. Erstaunlicherweise reagieren diese Länder sogar positiv genau wie Italien ggü. Oesterreich und der Schweiz, weil man damit den Organisierten Schleuserbanden wirklich "win-win" das Handwerk legt.