Für den Organisator Élie Barnavi ist es in Bastogne schon die sechste Fachtagung unter seiner Regie, die sich mit grundsätzlichen Fragen des Krieges auseinandersetzt. Diesmal lag dem Historiker und früheren Botschafter Israels in Frankreich schon wegen seiner Herkunft das Thema ganz besonders am Herzen: Die Frage nach dem "gerechten" Krieg, die sich natürlich nicht auf den Gaza-Krieg beschränke.
Neben dem Krieg in Gaza wurden in Bastogne darum auch andere Konflikte thematisiert: der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Krieg im Sudan, der Völkermord in Ruanda, der Bürgerkrieg in Libyen … und nicht zuletzt der Zweite Weltkrieg mit den Nürnberger Prozessen. Immer wieder habe sich in der Geschichte die Frage danach gestellt, ob ein Krieg "rechtens" oder "gerecht" sein könne … und damit in jüngerer Zeit auch die Frage nach der Verantwortung.
Philosophen, Moraltheologen, Historiker, Juristen haben sich über die Jahrhunderte mit der Frage des "gerechten Krieges" befasst. In Bastogne kamen noch Politologen und Journalisten hinzu. Und mit Bernard Kouchner ein Arzt, der 1971 mit anderen die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" gegründet hatte. So wichtig auch die humanitäre Hilfe immer noch sei, gab sich der mittlerweile 85 Jahre alte Kouchner in Bastogne desillusioniert.
Zwischenzeitlich war Kouchner auch Minister in mehreren französischen Regierungen. Zusammen mit dem Juraprofessor Mario Bettati versuchte er, bei den Vereinten Nationen ein "Recht auf humanitäre Einmischung" durchzusetzen, dem aber der Begriff der "Schutzverantwortung" vorgezogen wurde, so in zahlreichen Resolutionen der Vollversammlung oder des Sicherheitsrats. Angesichts der aktuellen Weltlage ist Bernard Kouchner pessimistisch - trotz der vorgeblichen Friedensbemühungen des US-Präsidenten.
Auch wenn so ein Kolloquium nicht den Anspruch erhebt, auf alle Fragen eine Antwort zu geben, hat Élie Barnavi die Frage nach dem Krieg in Gaza für sich längst beantwortet: Was nach den unbeschreiblichen Gräueln des Angriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 als "gerechter Krieg" angefangen habe, habe sich schnell zu etwas anderem entwickelt, sagt Élie Barnavi.
Stephan Pesch