Marilyn Krhlanko aus Eynatten ist seit sieben Jahren selbstständige Tagesmutter. Doch in einigen Monaten hört sie auf. Der Grund: Zu wenig Kinder. Das liege nicht an ihrer Betreuung, sondern an den subventionierten Preisen der konventionierten Tagesmütter des ZKB, die im Angestelltenverhältnis arbeiten.
"Es ist ungerecht, weil Eltern, die zu uns kommen, nicht gleich behandelt werden, wie Eltern, die zu einer subventionierten Einrichtung gehen. Da wird nach Gehalt gerechnet. Durch die Einstufung der Gehälter werden Plätze teilweise zu Dumpingpreisen vergeben", sagt Marilyn Krhlanko. "Ich kann nicht für neun Euro am Tag eine Betreuung führen, wenn meine Betreuung fünf bis sechs Euro die Stunde kosten muss, damit ich wirtschaftlich arbeiten kann."
Krhlanko fordert eine Gleichberechtigung. Das Tarifsystem der subventionierten Einrichtungen müsste überdacht werden. Am besten sei es, wenn die Eltern überall das gleiche bezahlen, egal welche Einrichtung sie nutzen. "Wenn sich da nichts ändert, werden wir selbstständigen Tagesmütter über kurz oder lang verschwinden, weil wir da nicht mithalten können. Das geht einfach nicht."
Schlecht für die selbstständigen Tagesmütter sei auch, dass die Kinder jetzt schon ab zweieinhalb Jahren in den Kindergarten wechseln dürfen, so Marylin Krhlanko. Ins System der konventionierten Tagesmütter zu wechseln, komme für sie nicht in Frage. Die Selbstständigkeit wolle sie sich nicht wegnehmen lassen. Dabei gehe es ihr nicht um die Vorteile einer selbstständigen Tagesmutter.

"Ja, wir können Urlaub machen, wann wir wollen. Als Selbstständiger überlegt man sich zweimal, ob man lange und oft Urlaub macht. Man hat Vorteile. Was bringt es uns, diese Vorteile zu haben, wenn wir keine Kinder haben?"
Wir haben die zuständige Familienministerin Lydia Klinkenberg um Stellungnahme gebeten. Sie antwortete, dass jedes Kind, das einen Platz braucht, auch einen Platz bekommt, damit Eltern, die arbeiten möchten, wissen, dass ihre Kinder gut versorgt sind. "Daher ist es wichtig, dass wir ein möglichst breites, aber natürlich auch für jeden bezahlbares Angebot an Kinderbetreuung haben. Damit eben die Eltern die Wahl haben", so Klinkenberg.
Auch in Zukunft soll es noch selbstständige Tagesmütter geben, sagt die Ministerin. Und da gebe es noch interessante neue Potenziale. "Wie zum Beispiel die Betreuungszeiten auszudehnen für Schichtarbeiter, was das ZKB als öffentlicher Dienst mit einem wesentlich starreren Arbeitnehmerstatut so einfach gar nicht leisten kann. Oder in eine engere Zusammenarbeit zu gehen mit den Arbeitgebern oder den Gemeinden. Es gibt noch ziemlich viele Potenziale meines Erachtens - auch für unsere Selbstständigen - die heute noch nicht richtig ausgeschöpft werden", sagt die Ministerin.

Lydia Klinkenberg erwähnt auch, dass die selbstständigen Tagesmütter auch bezuschusst werden. Wegen der Selbstständigkeit seien die Möglichkeiten der Kompensation aber begrenzt. "So können Selbstständige bis zu 15.000 Euro jährlich erhalten und dazu kommen noch Ausgleichszahlungen für einkommensschwache Eltern. Mehr geht aber nicht. Sonst wären wir in der Diskussion rund um die Scheinselbständigkeit." Und die Ministerin betont: "Ich denke es ist jedem klar, dass man als Selbstständiger nicht von den Vorteilen beider Systeme profitieren kann. Entweder man hat klare Vorgaben oder aber man ist eben frei. Und diese Entscheidung ist ja eine freie Wahl."
Soweit die Standpunkte. So wie es aussieht, ist die Diskussion so ziemlich festgefahren.
Manuel Zimmermann
Ich befürchte, dass die Ministerin Recht hat: Selbstständigkeit hat Vor- und Nachteile, und ich meine, es ist nicht realistisch und auch nicht richtig, die Vorteile der konventionierten Tageseltern in Anspruch nehmen zu wollen, aber gleichzeitig selbstständig und frei zu sein, wenn es zum Beispiel um Arbeit- und Urlaubszeiten geht. Inwieweit selbstständige Tageseltern bereit sind, die angesprochenen "Lücken" in der Betreuung durch die angestellten Tageseltern als Trumpfkarte für sich zu nutzen, weiß ich natürlich nicht.
Herr Matar, Ihre Sichtweise übersieht, dass Selbstständigkeit nicht einfach bedeutet, nur die Vorteile zu genießen, sondern auch die Risiken zu tragen. Die Ministerin spricht in Bezug auf uns von einer Welt, die uns in unserer Freiheit stark einschränkt. Wir haben nicht die gleichen Ressourcen wie angestellte Tageseltern, sondern müssen unter sehr begrenzten Bedingungen arbeiten. Das System der Subventionen führt dazu, dass wir mit Preisen konkurrieren müssen, die weit unter dem Marktniveau liegen, während wir uns gleichzeitig der Marktlogik beugen müssen. Der Versuch, von beiden Welten zu profitieren, ist schlichtweg unrealistisch, weil uns diese Wahlfreiheit in der Praxis verweigert wird. Selbstständige Tageseltern können nicht einfach Lücken ausnutzen, wenn ihnen die nötige Flexibilität und die finanziellen Mittel fehlen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ihre Argumentation berücksichtigt nicht die tatsächliche Ungleichbehandlung, der wir täglich ausgesetzt sind.
Ich habe in meiner Familie und im Bekanntenkreis etliche Menschen, die selbstständig sind. Manchmal merken sie etwas sarkastisch an: Selbst und ständig! Ich weiß also sehr gut, dass die "Freiheit" mit dem Risiko "bezahlt" wird und es nicht immer einfach ist, dort die Balance zu halten. Das ändert aber nichts daran, dass man sich irgendwann entschieden hat, diesen Weg zu gehen, und sich das wahrscheinlich so gut wie möglich überlegt hat. Insofern sehe ich das Problem der "Ungleichbehandlung" natürlich ganz anders als Sie, da man Selbstständigkeit und Angestelltenverhältnis meiner Meinung nach nicht so einfach vergleichen kann. Abgesehen davon bewundere ich die Arbeit der Tageseltern, egal ob konventioniert oder nicht, wenngleich ich mir manchmal noch ein bisschen mehr pädagogisches und psychologisches Wissen wünschen würde. Aber das ist eine ganz andere Diskussion ...
Ich begegne als selbstständige Kindertagespflegeperson (Tagesmutter) auch in der BRD immer wieder dieser merkwürdigen Idee, man habe sich ha irgendwann mal für diesen Weg entschieden. Das trifft aber nun wirklich für so ziemlich jeden Menschen zu, dass er sich irgendwann einmal für einen Weg entschieden hat. Interessanterweise billigt man aber abhängig Beschäftigten zu, dass sie sich für bessere Bedingungen einsetzen dürfen, über Gewerkschaften, über Streik usw.
Woher kommt der absurde Gedanke, dass Selbständige sich nicht in der Öffentlichkeit, in Politik und Verwaltung für bessere Bedingungen einsetzen können? Wegen einer Entscheidung, die sie, wie jeder andere auch, irgendwann einmal getroffen haben?
Ich werde mich hier in Dortmund jedenfalls mit derartig dünnen Argumenten nicht davon abhalten lassen, mich weiter für die Belange selbständiger Tagesmütter einzusetzen.
Herr Mattar es geht hier nicht nur um uns selbstständige Tageseltern, sondern vor allem um die Eltern, die keine echte Wahlfreiheit mehr haben. Während staatlich geförderte Betreuung finanziell unterstützt wird, müssen Eltern, die ihr Kind zu uns bringen möchten, den vollen Preis zahlen. Das ist eine klare Ungleichbehandlung.
Wir als Selbstständige stehen dabei vor einem Problem: Wir können nicht einfach unsere Preise senken, weil wir keine staatlichen Subventionen erhalten. Gleichzeitig sind wir aber an viele Vorgaben gebunden und haben nicht die unternehmerische Freiheit, wirklich selbstständig zu agieren. Der Staat schafft also ein System, in dem private Alternativen kaum noch bestehen können.
Wenn Wahlfreiheit wirklich gewünscht ist, müssen alle Eltern finanziell gleichgestellt werden – unabhängig davon, ob sie sich für eine staatliche Einrichtung oder eine private Betreuung entscheiden.