Der Soldat Arnold Reusch war 19 Jahre alt, als er im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Zwischen seinem Geburtsort Auel-Steffeshausen bei Burg-Reuland und seinem Sterbeort im russischen Bolschaya liegen fast 5.500 Kilometer. Seine Eltern waren Johann Nikolaus Reusch und Felizita Servaty. Die interaktive Karte des Zentrums für ostbelgische Geschichte verrät auch seinen Beruf: Er war Landwirtschaftsgehilfe. All diese Informationen über Arnold Reusch und fast 2.000 andere ostbelgische Schicksale hat die Historikerin Maude Williams im Archiv in Verviers gesammelt.
"Diese Akten hab ich dann benutzt, um eine Datenbank zu erstellen. Die Datenbank habe ich dann noch mit anderen Informationen aus dem Staatsarchiv vervollständigt. Die Datenbank war in Form von einer sehr unübersichtlichen Excel-Tabelle. Die haben wir dann in eine digitale Karte umgewandelt, die wir online veröffentlichen konnten", erklärt Williams. "Die Karte hat eine sehr ausgefeilte Filterfunktion. Die macht es möglich, dass direkt nach Menschen gesucht werden kann. Was man aber auch machen kann, ist, bestimmte Ereignisse zu suchen, die die Ostkantonen damals betroffen haben."
So kann der Nutzer zum Beispiel nachvollziehen, wie sich die Grenzen über die Kriegsjahre hinweg verschoben haben. Nicholas Williams ist der Leiter des Zentrums für Ostbelgische Geschichte. Die interaktive Karte und weitere digitale Angebote seien wichtig, damit der Ostbelgier sich mit seiner Geschichte auseinandersetzen kann, sagt er.
"Es geht ja auch darum, den Leuten deutlich zu machen: Es ist ihre Geschichte, es ist ihre Region. Und wenn ich jetzt meinen Familiennamen in so eine Karte eingebe und ich bekomme Informationen zu meinen Vorfahren angezeigt, dann wird mir selbst sehr viel deutlicher, wie die Geschichte der Region mit mir persönlich zusammenhängt. So wollen wir auch in Zukunft weiterarbeiten. Es soll in jedem Projekt darum gehen, dass die Geschichte nicht in einem luftleeren Raum stattfindet. Es gibt Protagonisten und Protagonistinnen und es gibt Leute, die mit diesen Menschen verwandt sind. Die Geschichte betrifft unser Familienleben, sie betrifft unser ganzes heutiges Leben einfach direkt."

Die Karte bietet auch ein Kontaktformular an. Wer zu bestimmten Personen oder Einträgen weitere Informationen hat, kann sie dort eintragen oder sich direkt beim Zentrum für ostbelgische Geschichte melden. "Das kann alles sein. Das kann eine Fotokopie sein, das kann ein Kriegstagebuch sein, das kann ein Tonband oder was auch immer sein", sagt Nicholas Williams. "Traditionell sind es natürlich administrative Dokumente, die wir hier haben. Bei der Karte handelt es sich zum Beispiel vor allem um die Personenstandsakten aus Verviers. Aber wir würden uns auch über unkonventionelle Dinge freuen. Wir prüfen natürlich jede Quelle nach den gängigen Methoden der historischen Quellenkritik, aber wenn wir das Ganze für vertrauenswürdig halten, werden wir die Karte oder andere Verzeichnisse natürlich aktualisieren."
Neben der digitalen Karte hat das Zentrum für Ostbelgische Geschichte auch einen Podcast gestartet. Die erste Folge von "Kriegsschicksale aus der Provinz Lüttich" ist bereits veröffentlicht und setzt sich mit den Erinnerungen damaliger Kinder und Jugendlicher an den Zweiten Weltkrieg auseinander. Für den Podcast hat das Zentrum für Ostbelgische Geschichte auf die zahlreichen Aufzeichnungen von Zeitzeugen zurückgegriffen.
Auch was den Podcast angeht, wünscht sich das Zentrum für Ostbelgische Geschichte Reaktionen aus der Bevölkerung. "Mein Appell ist: Hören Sie sich den Podcast an, kommen Sie in Kontakt mit uns und sagen Sie uns, was Sie sich für den nächsten Podcast wünschen würden. Wenn wir Rückmeldungen bekommen, können wir die natürlich in unserem digitalen Angebot umsetzen."
Damit Lehrer und Schulen das digitale Angebot auch gezielt in ihrem Unterricht einsetzen können, soll außerdem schon bald pädagogisches Begleitmaterial angeboten werden.
Die Karte "Kriegsschicksale" und den Podcast "Kriegsschicksale aus der Provinz Lüttich" gibt es online unter geschichte.be.
Lindsay Ahn