"Jugendliche befinden sich in einer psychischen Krise", mit diesen Worten beginnt der Kaleido-Bericht mit dem Titel 'Die telefonbasierte Kindheit und ihre Folgen für die mentale Gesundheit'. Gefüllt ist der Bericht mit Studienergebnissen und Daten, die zwar zum Großteil aus den USA stammen, aber mindestens genauso relevant für die ostbelgischen Jugendlichen sind, erklärt Kaleido-Direktor Manfred Kohnen.
"Wir haben es mit einer drastischen Verschlechterung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen quasi weltweit zu tun. Man hat in Europa zum Beispiel die nordischen Länder untersucht. Finnland gilt als das Land, das am glücklichsten ist. Selbst dort hat sich die mentale Gesundheit erheblich verschlechtert. Das gilt auch für Europa. Der Satz 'Ostbelgien ist keine Insel' gilt selbstverständlich auch hier, sodass auch dieser Trend auch in abgeschwächter Form oder mit Verzögerung in Ostbelgien ankommt."
Dieser Trend zeichnet sich aber nicht erst seit ein paar Jahren ab, sondern hat schon viel früher begonnen. Die Forschung beschreibt an dieser Stelle drei Hauptgründe, Manfed Kohnen nennt es 'ein Drama in drei Akten'. Der erste Akt startete in den 70er Jahren. Hier stieg der gesellschaftliche Wunsch nach Individualisierung. Das Gemeinschaftsgefühl, das die Kriegsgeneration geprägt hatte und das als Anker für mentale Gesundheit gilt, ging zurück. Der zweite Akt setzte dann in den 90er Jahren ein und zeichnete sich durch einen überbehütenden Erziehungsstil aus.
In der realen Welt zu sehr, in der digitalen Welt zu wenig geschützt
"Eltern behüten ihre Kinder mehr und mehr, lassen sie immer weniger alleine unbeaufsichtigt spielen. Man sieht zu Recht oder Unrecht gefahren. Ich nehme mal das Beispiel von Belgien in den 90er Jahren: Die Dutroux-Affäre. Die Leute bekamen Angst und ließen ihre Kinder nicht mehr wie früher in demselben Maße unbeaufsichtigt spielen. Was aber sehr, sehr wichtig ist. Kinder müssen untereinander nicht nur spielen, sondern auch Erfahrungen machen, Konflikte untereinander lösen, auch Gefahren bis zu einem gewissen Grad natürlich ausgesetzt sein, weil das ihre Widerstandskraft stärkt."
Der Siegeszug des Smartphones und der sozialen Medien sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Retouchierte Bilder und unrealistische Schönheitsideale sorgen für ein falsches Körperbild bei den Jugendlichen, auch die Gefahren von Cybermobbing sind laut des Berichtes drastisch gestiegen.
"Da geht es nicht nur um Selbstwahrnehmung, sondern auch um harte Zahlen, Suizide, Suizidversuche, Selbstverletzungen, Einlieferung in die Notaufnahmen wegen Selbstverletzung. Das sind harte, überprüfbare Zahlen. Plus natürlich die Selbsteinschätzung zeigt ganz eindeutig in eine erheblich verschlechterte Richtung. Da reden wir von Anstiegen von 100, 200, 300 oder bis zu 400 Prozent."
Eine weitere große Gefahr bietet sexuelle Belästigung im Netz: Im Schnitt wird pro Woche rund einer von acht Jugendlichen Opfer von sexueller Belästigung im Internet. Mit dem Bericht zu den Entwicklungen möchte Kaleido aber nicht nur auf die Probleme aufmerksam machen, sondern auch Lösungsansätze bieten. Eine Empfehlung ist zum Beispiel, dem Jugendlichen erst ab 15 Jahren den Zugang zu einem Smartphone zu erlauben. Kaleido plädiert außerdem für ein striktes Handyverbot in Schulen.
"Smartphones müssen aus der Schule herausgehalten werden und wir sind der Meinung bis Ende der Sekundarschule. Sie bieten keinen Mehrwert, haben aber enorme Nachteile. Wir plädieren natürlich auch für eine Verstärkung der Medienerziehung. Es geht also nicht nur um Verbote, es geht auch um Prävention und um Information und um Aufklärung. Letztendlich plädieren wir für eine gesellschaftliche Norm. Und damit dies geschieht, muss sowohl politisch gehandelt werden, aber auch viel Sensibilisierung und Überzeugung stattfinden. "
Kaleido hofft darauf, bald eine Sensibilisierungskampagne zu den Gefahren des Smartphones umzusetzen, um Kinder und Jugendliche auch in der digitalen Welt besser zu schützen.
Hinweis: Hilfesuchende können in Ostbelgien die Dienste der Telefonhilfe 108 in Anspruch nehmen.
Am Donnerstag, den 24. Oktober lädt Kaleido zu einem Online-Seminar ein. Titel des Seminars: Die telefonbasierte Kindheit und ihre Folgen für die mentale Gesundheit. Los geht es um 19:30 Uhr.
Mehr Infos unter kaleido-ostbelgien.be.
Keine Mobiltelefone mehr in den Schulen der FG ab kommendem Schuljahr
Lindsay Ahn
Schön und gut, aber die Schulen wollen doch alles Digitalisieren bzw alles via App steuern..
egal ob es sich dabei ums Tagebuch handelt oder um irgendwelche "Lernapps", aber auch der Unterricht wird via Beamer gemacht.
Ich finde auch das Handys im Unterricht nichts zu suchen haben nur wieviele Jugendliche/Sekundarschüler werden dann plötzlich 2 Handys besitzen?? alleine nur um in den Pausen ihre Spiele zu zocken oder sonst was.
Die Schulen sollten dann eben auch wieder auf die alte klassische Art und Weise unterrichten..
Kreide & Tafel , klassisches Tagebuch und keine Lernapps ....
...'drastischen Verschlechterung der mentalen Gesundheit' nur der Jugendlichen zu beklagen ist nicht ausreichend und unehrlich denn damit redet man den Opfern nur ein schlechtes Gewissen ein. Die erste Ursache dieser Situation heute, ist die Geldpolitik und -hörigkeit von damals, und das Problem will keiner sehen... leider, zum schaden der Kinder und ihrer Zukunft... Das wahre Problem ist mithin die 'mentale Gesundheit' der Erwachsenen... Kinder immitieren und kopieren nur... Das gute Beispiel geben wäre ausreichend, aber wer von den 'verzogenen' Erwachsenen beginnt damit freiwillig ?
„Es gibt nicht den geringsten wissenschaftlich nachvollziehbaren Hinweis“, sagt Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen und Geschäftsführer der Roth GmbH.