Max ist 27 Jahre alt. Nach seinem Ingenieur-Studium hat er einen großen Schritt gewagt und ist in die Nähe von Zürich gezogen. Von dort aus fahre ich mit ihm in die Alpen. Unser Ziel: Ein Gletschersee oberhalb vom Urnerboden. Bevor unser Abenteuer jedoch losgehen kann, müssen wir erst die Bedingungen checken. Zum Glück kennt Max sich da mittlerweile aus.
"Das Wetter sollte mitspielen: Es gibt manche Wanderungen, die sollte man nicht machen, wenn es feucht ist, es gibt manche Sachen, die kann man nur mit Ausrüstung machen ... Also man muss sich schon gut informieren, bevor man so eine Wanderung antritt - über den Schwierigkeitsgrad, über die Länge, über die Höhenmeter."
Los geht unser Abenteuer mit dem Bus. Der bringt uns über die Passstraße auf über 2.000 Meter Höhe zum Startpunkt unserer Wanderung. Die Strecke ist nur im Sommer befahrbar, im Winter bleibt sie wegen Schnee gesperrt. Mit Leichtigkeit lenkt der Fahrer den Bus um die Kurven, und ich muss mich konzentrieren, damit mir nicht schlecht wird. "Das ist schon erstaunlich, wie die Busfahrer mit einem 15 Meter langen Bus diese kleinen Kurven nehmen, bei denen man schon mit dem Auto Bammel bekommt", findet Max.
Murmeltiere und ein hellblauer Bergsee
Bammel habe ich so oder so. Am Startpunkt angekommen, geht es dann zu Fuß so richtig los. Wir steigen aus und werden begrüßt von zwei Murmeltieren, die sich wegen meines Staunens aber schnell wieder in ihren Bau verkriechen. Wir wandern über Stock und Stein, Geröll und sogar Schneeplatten.
Das kann gefährlich werden. Deshalb ist es wichtig, die Risiken vorher gut abzuwägen, wie Max weiß. "Selbstüberschätzung ist der größte Feind, wenn man sich selbst zu viel zutraut oder nicht überlegt, ob das gerade vielleicht zu gefährlich ist. Man muss sich vor Augen halten, dass das schnell schiefgehen kann."
Deshalb behalten wir im Hinterkopf: Wir können die Wanderung jederzeit abbrechen und einfach wieder umkehren. Dazu kommt es jedoch zum Glück erst gar nicht. Wir erreichen unser Ziel. Die Wolken verziehen sich und uns offenbart sich das Berg-Panorama: Ein hellblauer Bergsee, umgeben von grauem Schotter und weißen Eisschollen.
Hier oben sieht es aus wie auf dem Mond. Hinter der Berglandschaft verbirgt sich jedoch eine traurige Realität - denn der See besteht aus geschmolzenem Gletscherwasser, wie Max mir erklärt. "Man merkt schon, dass die Gletscher von Jahr zu Jahr kleiner werden, vor allem wenn man Bilder aus den 80er und 90er Jahren sieht. Das ist schon erschreckend, dass die so schrumpfen."
Kein anderer Wanderer ist heute unterwegs. Für Max ist diese Ruhe einer der Gründe, weshalb er so gerne in den Bergen wandert. "Wenn man mit Freunden oder Verwandten wandert, dann ist das eine schöne Aktivität, die zusammenschweißt, weil man sich überlegen muss, ob beide sich das zutrauen. Und auch alleine ist es sehr schön, weil man wieder zu sich findet und mal runter kommt. Dem stressigen Alltag kann man so ziemlich gut entfliehen."
Wir setzen uns an den Gletschersee und packen unser Picknick aus. Das darf bei keiner Bergwanderung fehlen. Was sonst noch zur Wanderausrüstung gehört: "Das Wichtigste sind gute Wanderschuhe, darauf kann man nicht verzichten. Je nach Wetter ist eine Regenjacke gut, eine Hose, in der man sich gut bewegen kann, genug zu trinken. Und eine Powerbank ist auch sehr wichtig, wenn man sich mit dem Handy orientiert und keine Karte hat. Da ist es schon gefährlich, wenn das Handy mal leer geht. Deshalb sollte man da immer einen Plan B haben.”
Schweiz als Zuhause - aber Heimat Ostbelgien
Bei unserem Picknick bringt Max mir ein bisschen Schweizerdeutsch bei - das versteht er mittlerweile richtig gut. Meine persönliche Lieblingsanekdote. "Am Zürichsee gibt es die eine Küste, wo ich wohne, und die ist als Goldküste bekannt, weil da immer die Sonne hinscheint. Und dann gibt es die andere Seite, die von den Leuten auf der Goldküste die 'Pfnüselküste' genannt wird, also die 'Erkältungsküste', weil die Sonne da nie scheint und es öfter regnet."
Wir unterhalten uns über Heimat. Mittlerweile ist für Max die Schweiz ein richtiges Zuhause geworden. "Mittlerweile wohne ich seit zwei Jahren hier, also würde ich die Schweiz schon als mein Zuhause bezeichnen. Aber Ostbelgien ist meine Heimat. Ich fühle mich an beiden Orten super wohl. Ich besuche gerne die Heimat und freue mich danach wieder, hierher zu kommen. Es bietet halt einfach ganz andere Sachen."
Und dazu gehören sicherlich die Berge, die es Max so sehr angetan haben. "Die Berge sind nicht unbedingt der Grund, weshalb ich hierher gekommen bin - das war für den Job. Aber sie sind sicher ein Grund, weshalb ich immer noch hier bin."
Und da kann ich Max nach unserem Abenteuer wirklich gut verstehen. Für mich geht es nach der schwindelerregenden Alpenwanderung jedoch wieder zurück ins ostbelgische Flachland.
Carla Scheiff
Sehr schön, angenehm und plastisch erzählt. Tipp für Wanderer!!! LG
Tolle Stimme und toller Beitrag, da höre ich gerne zu!