"Ich habe bestimmt zwei, drei Häuser verspielt", erinnert sich ein Sportwettensüchtiger. Wegen seines heutigen Arbeitgebers möchte er anonym bleiben. Denn stolz ist der Mann nicht. "Was mir richtig das Genick gebrochen hat, war dieses Onlinespielen. Da habe ich nachts auf Volleyball in Brasilien gespielt. Idiotisch. Was soll das? Keine Ahnung. Ich musste so viel spielen, weil ich Geld verloren hatte. Das wollte ich wieder einspielen. Ein Teufelskreis."
Ein Teufelskreis, der harmlos anfangen kann. Die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Online-Sportwetten birgt ein hohes Suchtpotenzial. Die Ereignisfrequenz zwischen Wette und Ergebnis ist so kurz, dass der Reiz groß ist, weiter zu machen, weil der Kick da ist, egal ob man gewinnt oder verliert.
In Belgien gelten 384.000 Spieler als suchtgefährdet. Die Hälfte der Online-Spieler ist jünger als 30 Jahre. Ostbelgien ist bislang noch nicht von einer Onlinespielsuchtwelle heimgesucht worden, erklärt Samuel Thönnes von der Arbeitsgemeinschaft für Suchtvorbeugung und Lebensbewältigung (ASL) in Eupen. Noch stehe der Alkohol auf Platz eins.
Anders als bei vielen Alkoholikern ist Spielsucht aber weniger sichtbar. Viele Spielsüchtige kommen aus der Mitte der Gesellschaft. "Das Problem ist: Wenn man gewinnt, wird im Gehirn Dopamin ausgeschüttet. Das macht einen glücklich. Also will man das nochmal und nochmal erleben. So kann man schnell in eine kleine Wettsucht hineingeraten."
Sportwetten suggerieren, dass es nicht nur um Zufall und Glück geht, sondern um Expertenwissen. Viele denken, dass man mit einem gewissen Kompetenzanteil weiß, wo es lang geht. Doch selbst mit Expertenwissen spielt König Zufall mit.
"Wenn man verliert, gibt es eine Gegenreaktion im Gehirn. Man sagt sich: Ich komme da nur raus, wenn ich meinen Einsatz verdoppele. Dann geht man das erhöhte Risiko ein und verliert doch", erklärt Thönnes. Das Unglück setzt sich also fort.
"Es ist höchste Zeit, Sportwetten zu entzaubern!", fordern nicht nur Suchtberater in Belgien. Denn in der Werbung gewinnen natürlich alle. Dabei geht es den Wettanbietern darum, selber Gewinn zu machen - also verlieren die Spieler.
Noch schlimmer sei das bei Online-Casinos, so Thönnes. "Am Ende gewinnt die Bank. Aber wer das nicht versteht, dass man online keine Chance hat, tut mir leid. Die Leute fallen da in einen Wahn und können nicht mehr aufhören. Auf einmal ist der ganze Lohn weg und man kann die Miete nicht bezahlen."
Laut einer US-Studie einer Universität in Connecticut hat jeder dritte Glücksspielsüchtige Suizidgedanken. 17 Prozent haben mindestens einen Suizidversuch hinter sich. Damit es erst gar nicht dazu kommt, bietet die ASL ihre Hilfe an. Neben Entschuldungsprogrammen können auch Therapien helfen.
Doch besser wäre es, erst gar nicht in diese Situation zu kommen, erklärt Samuel Thönnes. "Das Beste ist natürlich, einen Bogen darum zu machen. Dann kommst du nicht in die Versuchung und verlierst erst gar kein Geld."
Manuel Zimmermann
Niemand kann die Zukunft vorhersagen.