Ausgangspunkt für die zur Lebensaufgabe gewachsene Rekonstruktion der Ereignisse vom Juni 1944 in Tulle war für Bruno Kartheuser ein altes Foto: Es zeigte unter anderem Walter Schmald aus St. Vith. Später fand er heraus, dass dieser Walter Schmald als Mitglied des nationalsozialistischen Sicherheitsdienstes SD maßgeblich an der Auswahl der 99 Männer beteiligt war, die am 9. Juni in Tulle erhängt wurden. Am folgenden Tag wurden über 300 weitere Männer ausgewählt und deportiert.
"Walter Schmald ist der einzige, von dem wir im Detail wissen, was er angerichtet hat. Ich wüsste keinen weiteren in der ganzen Gegend von damals - was weiß ich: 50.000 Einwohnern insgesamt -, wo man diesen Nachweis hätte, dass man nicht in aller Unschuld weggeht und zurückkommt. Die Episode dazwischen, die kann dann so fatal und traurig stimmend sein, wie es der Fall ist. Aber auch das muss ausgesprochen werden, sonst bleibt man beim Komplex oder bei der Verletzung, Verwundung", sagt Kartheuser.
Hohes Ansehen in Tulle
Auf der Suche nach Spuren und Erklärungen ist Bruno Kartheuser häufig in den Südwesten Frankreichs gereist, hat dort jahrelang geforscht und recherchiert, ist vielen Menschen begegnet, die seine Arbeit schätzten. Sie wird als Referenzwerk gewürdigt. Welches Ansehen er dort genießt, erfuhren nun auch ein paar Begleiter, wie Karl von Frühbuss aus Wallerode, die mit ihm zum 80. Jahrestag nach Tulle gereist sind.
"Ich war sehr erstaunt über die Tatsache, dass Bruno, wenn man mit ihm durch Tulle lief, von allen möglichen Leuten spontan angesprochen wurde. Er ist dort sehr bekannt", erzählt von Frühbuss. "Ich habe dann auch hinterher erfahren, dass er derjenige ist, der diese Geschehnisse vom 9. Juni eigentlich als einziger wirklich profund aufgearbeitet hat. Das kommt sehr gut dort in der Bevölkerung an."
"Ein Stück Versöhnung"
Er selbst, sagt Bruno Kartheuser, sei "im Vorhinein skeptisch" gewesen, ob das Gedenken immer noch den Ereignissen von damals und vor allem den Menschen gerecht werde. Die gemeinsame Erfahrung in seiner kleinen Reisegruppe habe ihn aber bestätigt. "Diese Art, wie man das Gedenken da vorführt, einmal im Jahr, mit allem Ernst, mit großer Publikumsteilnahme, ist auch ein Faktor von Heilung. Nicht glattbügeln - das ist es nicht. Jeder behält seine Erinnerungen, auch diejenigen, die damals Kinder waren und dann einen letzten Blick auf ihren Vater oder den Mann aus dem Haus geworfen haben. Die bleiben verletzt. Aber es bringt auch atmosphärisch ein Stück Versöhnung."
Er habe sich stets vor einer parteiischen Auseinandersetzung mit diesem Thema gehütet, sagt Bruno Kartheuser, und verweist auf andere Darstellungen, die entweder den Widerstand glorifizieren oder die Ereignisse revisionistisch umdeuten und beschwichtigen. Er ist darum ebenso im schwäbischen Schorndorf, der Partnerstadt von Tulle, ein gerngesehener Gast. "Insofern ist das Kapitel sauber abgehandelt worden. Da hat es eine politische Bewegung gegeben, die kam beiderseits aus Frankreich und Deutschland, nämlich die Verschwisterungen, die Städtepartnerschaften."
"Erinnerung lebendig halten"
Auch zum 80-jährigen Gedenken gab es für Bruno Kartheuser und seine Begleitung Begegnungen mit Vertretern aus Schorndorf. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage in Frankreich und Europa hat Karl von Frühbuss von der Gedenkreise zukunftsweisende Impulse mitgebracht. "Die Ereignisse vom 9. Juni haben ja kein Alleinstellungsmerkmal - in Tulle natürlich schon, in Oradour-sur-Glane auch. Aber wir haben ja auch hier bei uns ähnliche Dinge erlebt. Für mich persönlich ist sehr wichtig, dass man für die nächste Generation diese Sachen lebendig hält, das Erinnern daran, und dass man den Bogen zur Gegenwart schlägt, um all die rechten Umtriebe, die wir mittlerweile in der Politik erleben, mit Vorsicht zu betrachten."
Stephan Pesch
Das Erinnern wird langfristig eine Herausforderung, weil die Zeitzeugen fehlen. Und irgendwann kommt der Punkt, da werden die Gräuel der Nazis von aktuelleren Ereignissen überschattet.
cher Bruno
merci de ta visite, de ton souvenir à notre histoire !
ravi de t'avoir revu, l'Histoire , au moins permet les retrouvailles ;
en espérant que tu voudras bien parcourir encore les chemins de la Corrèze, de Tulle, de Naves
amitiés
Bruno Kartheuser erforscht das Geschehene akribisch und beharrlich. Artikel und Fotos berühren. Danach möchte man an dem Wissen, das in den Büchern niedergelegt ist, partizipieren und sich in sie vertiefen.