Lauter Applaus am Dienstag an der Weimser Straße in Kettenis. Die Schülerinnen und Schüler des Zentrums für Förderpädagogik haben sich am Eingang des Gässchens zur Sporthalle versammelt. Hier wollen sie einen ganz besonderen Menschen ehren: die Widerstandskämpferin Maria Kreuels. Ihr Name ziert ab sofort die Straßenschilder, die am Anfang und am Ende der Gasse platziert worden sind. An einem der Schilder klemmt eine Schwarz-Weiß-Fotografie der jungen Frau.
Mathieu Krings ist Schüler am ZFP und hat sich intensiv mit dem tragischen Schicksal der Ketteniserin auseinandergesetzt. "Als der Zweite Weltkrieg angefangen hat, hat Maria sich bei einer Widerstandsgruppe integriert. Sie half Juden und anderen verfolgten Menschen, indem sie die Leute in ihrem Keller versteckte. Leider wurde sie erwischt und wurde dann von der Gestapo verhaftet. Die Gestapo hat sie dann durch fünf Arbeitslager verschleppt."
Zum Ende des Krieges geriet Maria Kreuels in russische Gefangenschaft und wurde nach Odessa verschleppt. 1945 dann endlich die Befreiung. Maria Kreuels kehrte nach Belgien zurück. Ein Happy-End gab es für sie jedoch nicht. Am 1. September 1945 verstarb die Ketteniserin nach kurzer, schwerer Krankheit.
Mathieu und seine Mitschüler haben durch das ZFP-Projekt "Gegen das Vergessen" von Maria Kreuels und anderen Schicksalen aus der Zeit des Nationalsozialismus erfahren. Bald darauf war den Jugendlichen klar, dass Menschen wie Maria nicht vergessen werden dürfen: Um die Erinnerung aufrecht zu erhalten, planten sie, eine Straße nach ihr zu benennen.
Hier kam dann die Stadt Eupen ins Spiel. "Ich habe dann ein bisschen überlegt, weil ich den Schülern auch erklärt habe, dass die Straße schon gebaut sein muss, um sie zu benennen", erklärt Bürgermeisterin Claudia Niessen. "Wir haben ja jetzt auch nicht so viele Straßen in Eupen, die neu sind. Die neuesten Straßen hatten auch schon alle einen Namen bekommen. In der Ketteniser Schule gibt es oft so einen Tag oder Unterricht, an dem die Kinder mehr über ihre Umgebung lernen und da nannten die Kinder 'das Gässchen ohne Namen'. Als ich das gehört habe, dachte ich, dass es ja keine Straße sein muss, sondern wir das Gässchen für das Gedenken nutzen können. Jetzt heißt das Gässchen 'Maria-Kreuels-Gässchen' - ganz offiziell."
Ehren-Grab auf Friedhof von Kettenis
Im Rahmen der Gässchen-Benennung besuchten die Schülerinnen und Schüler auch das Ehren-Grab von Maria Kreuels auf dem Friedhof von Kettenis. Hier sprachen sie ein Gebet und legten Blumen nieder.
Das Engagement der Jugendlichen ist wichtiger denn je, beteuert Claudia Niessen. "Ich habe gemerkt, auch in dem Projekt, wie intensiv die Schülerinnen und Schüler sich mit diesen Persönlichkeiten auseinandergesetzt haben. Welch unfassbares Glück wir haben, hier in demokratischen Strukturen zu leben. Eben sagten mir die Schüler aus dem dritten Schuljahr noch: 'Folter gibt es nicht mehr'. Doch, Folter gibt es leider schon noch. Bei uns hier in Europa nicht. Aber wir brauchen gar nicht weit zu suchen. Ich glaube, das ist wichtig, dass wir uns das immer ins Bewusstsein rufen, in welcher Freiheit und in welchem guten Leben wir hier wohnen können."
Für Mathieu und seine Klassenkameraden war der Tag ein großer Erfolg. Sie sind sich sicher: Den Namen Maria Kreuels wird so schnell niemand mehr vergessen.
Lindsay Ahn