Der Abend startete aufgelockert. Noch vor der Livedebatte gab es ein Geburtstagsständchen für Jérôme Franssen, als die Moderatoren Stephan Pesch (BRF) und Christian Schmitz (GrenzEcho) das Publikum im Saal begrüßten.
Jérôme Franssen sorgte auch für den ersten Hinhörer des Abends. "Ja, ich traue mir das zu", antwortete er auf die Frage, ob er Ministerpräsident werden wolle. Es habe im Gegensatz zu den letzten Wahlen keine Vorab-Koalitionsverhandlungen gegeben, betonte der amtierende Ministerpräsident Oliver Paasch. Er habe aber, wie sich das in einer Demokratie gehöre, informelle Gespräche geführt mit PFF, SP, CSP und Ecolo.
Auf Nachfrage von Stephan Pesch – "Da fehlt doch einer?" - legte Paasch sich dann fest: "Ich habe nicht mit Michael Balter darüber gesprochen. Die Differenzen zwischen unseren Parteien sind zu groß. Eine Koalition mit ProDG und Vivant wird es nicht geben."
Zwischen Paasch und Balter entwickelte sich schon in den ersten Minuten ein sehr unterhaltsamer Schlagabtausch, der die Debatte hindurch immer wieder aufflammen sollte. 800 Menschen hatten im Vorfeld und zu Beginn der Live-Sendung über die Themen abgestimmt und entschieden: der Fachkräftemangel ist das Thema, das sie am meisten beschäftigt. Mit dem Thema startete dann auch die Debatte. Gregor Freches wollte nicht von Fachkräftemangel sprechen, sondern von Arbeitskräftemangel.
Michael Balter machte aus der Diskussion über den Fachkräftemangel eine Diskussion über Arbeitslosigkeit. Mehr als ein Drittel der Arbeitslosen in der DG sei länger als zwei Jahre arbeitslos: "Die Politik der PFF hat da total versagt!" Minister Antoniadis nahm seine PFF-Kollegin Isabelle Weykmans in Schutz: "6,4 Prozent Arbeitslosigkeit: im Norden 8,4 Prozent und im Süden 3,6 Prozent - das ist fast Vollbeschäftigung!"
Paasch forderte, die Arbeitskräfte und vor allem die Jugendlichen an die Region zu binden. "Wir sind noch nicht am Ziel. Wir müssen das Vorurteil bekämpfen, dass eine akademische Ausbildung besser sei als eine berufliche." Genauso sah das auch Jérôme Franssen: "Nicht nur das Studium sollte Plan A sein, auch das Handwerk sollte ein Plan A sein."
Erste Zuschauerfrage war: Soll die DG Fachkräfte aus dem Ausland anwerben? 69 Prozent stimmten mit "Ja". Fabienne Colling nuancierte: Das mache natürlich Sinn bei Berufen, in denen besondere Qualifikationen gefordert seien, wie zum Beispiel in der Pflege. Es gebe aber auch Menschen hier, die nicht arbeiten dürften: "Weil immer noch Bleiberecht über Arbeitsrecht gestellt wird. Meine Partei fordert, dass diese Menschen schnell in Arbeit gehen. Da brauchen wir nicht so weit suchen zu gehen."
Antoniadis wehrte sich gegen die Forderung, Arbeitslosengelder nach einer Zeit zu streichen. Damit verlagere man das Problem auf die ÖSHZ und die Gemeinden. Das Problem sei nur zu lösen, wenn man den Menschen Beschäftigungsperspektiven biete.
Auch Paasch sprach sich für Zuwanderung aus, "um unsere Lebensqualität und unseren Lebensstandort zu erhalten." Der Angriff von Michael Balter - "Herr Paasch ist nicht immer so genau, was Zahlen angeht" - entlockte ihm einen Lacher. Paasch konterte mit "Sie müssen die Pendler aus Ihren Zahlen herausrechnen, dann kommen Sie zum gleichen Ergebnis."
Bildung
Jérôme Franssen ist selbst Lehrer und forderte, dass Grundkompetenzen (Lesen, Schreiben, Rechnen) wieder in den Fokus gerückt werden. Das sei wichtig in Zeiten von Digitalisierung und KI, durch die sich unser Lebensraum komplett transformieren werde.
In Sachen Bildung zählte Paasch eine Reihe von Errungenschaften der ProDG-Politik auf. Vor 20 Jahren seien die Klassen viel größer gewesen, die Lehrergehälter schlechter, viele Schulen in einem desolaten Zustand, es habe keine netzübergreifenden Rahmenpläne gegeben. "Wir bilden heute zehn Mal mehr Lehrlinge aus als die anderen Teilstaaten. Es gibt keinen Grund, das schlecht zu reden."
Michael Balter entgegnete: "Lehrer und Unternehmer bestätigen, dass das Bildungsniveau nicht mehr so ist wie vor 20 Jahren. Dass marode Schulen saniert wurden, ist natürlich wichtig, das hätte man allerdings auch anders machen können." Paasch schoss zurück und zum ersten Mal wurde es richtig laut auf der Bühne und im Saal. Er warf Balter vor, keine konkreten Ansätze und Ideen vorzuschlagen. Auch die CSP habe Kritik an der Bildungspolitik geübt und doch hätte die CSP im Wahlprogramm Ansätze von ProDG übernommen.
Die Zuschauerfrage "Sollen Handys an Schulen verboten werden?" beantworteten 65 Prozent der Teilnehmer mit Ja. Auch Jérôme Franssen sprach sich für ein Handyverbot in den Schulen aus - "aber wir wollen da nicht mit der Brechstange ran, sondern dass die Schulen das auch untereinander abstimmen. Politik hat auch eine koordinierende Aufgabe."
Michael Balter betonte, dass Vivant das Thema Handyverbot an Schulen ins Parlament gebracht hätte. "Damals klang die Meinung Ihrer Partei noch anders", warf er Franssen vor. "Wir sind ganz klar für eine handyfreie Schule. Es gibt Sachen, die müssen vom Gesetzgeber geregelt sein. Und die Schüler sind selbst für ein solches Verbot."
Fabienne Colling entgegnete, ein komplettes Handyverbot an Schulen sei keine Lösung. Das Beispiel BS-TI habe gezeigt, dass es kreative Lösungen von den Schulen selbst geben könne. Die Jugendlichen müssten lernen, mit den Medien umzugehen. Oliver Paasch pflichtete Colling bei und unterstrich, dass das Handyverbot auch nicht das einzige Thema in der Bildung sei, das uns beschäftigen sollte.
Antonios Antoniadis meinte, "wenn Herr Balter ein Handyverbot fordert, sollte er selbst mal im Parlament damit anfangen." Die SP sei für handyfreie Zeiten, kein komplettes Handyverbot. Auch nach der Schule könnten Jugendliche Mobbing ausgesetzt sein. Das sei ein Problem, das Schule und Gesellschaft gemeinsam lösen müssten.
Finanzen
Oliver Paasch verteidigte die zusätzlichen Schulden der letzten Jahre: "Wer gegen die Schulden wettert, den frage ich: Hätten sie den Menschen in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg etwa nicht geholfen?"
Für Jérôme Franssen stellte sich vor allem die Frage, ob die DG sich diese Schulden leisten könne. Ab jetzt müsse sie "dicke Bretter" bohren, unter anderem Strukturen effizienter gestalten. "Mehr Geld alleine ist nicht der entscheidende Punkt, sondern die Gestaltung", sagt Franssen.
Gregor Freches unterstrich, dass die DG die Gemeinden in Infrastrukturprojekten wie den Krankenhäusern stark unterstütze. Das gebe es in den anderen Regionen nicht. Die DG setze ihr Geld gut ein und verpulvere es nicht, wie die Opposition gerne mal behaupte.
Michael Balter hingegen forderte, Projekte günstiger und vernünftiger zu realisieren. Von Paasch dazu aufgefordert, ein konkretes Beispiel zu nennen, sprach Balter vom Heidbergkloster. Das habe 14 Millionen gekostet und schreibe rote Zahlen.
Fabienne Colling forderte, die Autonomie zu nutzen, um es besser zu machen als die anderen - auch wenn sich die DG die Schulden "leisten könne", griff sie die Frage von Franssen auf. Billig bauen sei langfristig gesehen nicht unbedingt die beste Lösung. Und wenn die öffentliche Hand baue, müsse sich das Gebäude auch rentieren und ausgelastet werden.
Michael Balter unterstrich noch einmal, dass Vivant immer eine Verkleinerung des politischen Apparats gefordert habe. Den Ernennungsstopp habe es ohne die Vivant-Forderung nie gegeben. Paasch widersprach der Behauptung vehement. Balter plädierte für drei anstelle von vier Ministern. Auf die Frage, ob er auf einen Ministerposten verzichten würde, antwortete er: "Wir sind nicht für Posten hier."
Beim Thema Finanzen ging es noch einmal hoch her, als Paasch und Balter sich gegenseitig vorwarfen, von Steuergeldern zu profitieren, und die Diskussion immer lauter wurde. Während Balter immer wieder anprangere, dass der politische Apparat viel Geld koste, so profitiere Vivant am meisten von der Aufwertung des Parlaments, sagte Paasch. Die großen Werbekampagnen der Partei seien von Steuergeldern finanziert. Balter erwiderte, dass es bei ProDG doch genauso sei, bis Jérôme Franssen dazwischen ging: "Wenn der Bürger eins nicht möchte, dann ist es, dass wir uns so streiten."
Spannend wurde es dann zum Schluss, als die Antwort auf die Zuschauerfrage "Wer hat den besten Eindruck gemacht?" eingeblendet wurde: Durchgesetzt hat sich Fabienne Colling mit 32 Prozent knapp vor Oliver Paasch, der auf 29 Prozent kam. Es folgten Jérôme Franssen mit zwölf, Gregor Freches mit zehn, Antonios Antoniadis mit neun und Michael Balter mit acht Prozent. Obwohl bei dem Voting über 1.000 Zuschauer abgestimmt haben, ist das Ergebnis nicht repräsentativ.
Katrin Margraff
Was mir auf dem Bild sofort auffiel, auf der Bühne, 1,2,3,4,5,6,7 Männer und 1 Frau... 😁
Was genau soll die abschließende Übersicht aussagen? Wenn die Frage formuliert wurde, „wer den besten Eindruck gemacht hat“, hätte man dann nicht zumindest auch das Ergebnis und die Reihenfolge der Umfrage darstellen sollen?
Auch wenn Sie nicht Edmund Stoffels heißen, das hört sich wie eine klare Wahlempfehlung an, Herr Pesch.
Das Umfrageergebnis bestätigt Sie darin!
Eine Partei die den Mut hat, eine zwar auf der politischen Bühne unbekannte aber kompetente junge Frau als (einzige) Spitzenkandidatin aufzubieten, verdient es, dafür belohnt/gewählt zu werden…
Sehe ich auch so.
Die beste Frage ist bei 1:19:00 "Wie soll das alles bezahlt werden?"
Ab 1:24:00 ist die DG-Verschuldung das Thema.
Vorschlag: Wie wäre es mit allgemeinem Personalabbau?
Kaum den Mund aufgemacht und schon im allerersten Satz poltert Herr Balter mit der Dauerfloskel "Klüngel"... Wollen wir wirklich eine solche Politik, die nicht einmal fähig ist, gesittet miteinander zu diskutieren, ohne direkt auf dieses Niveau herabzusinken?
Wenn es nur eines Zeichens bedarf, warum bestimmte Personen und Parteien besser nicht unsere wertvolle Stimme erhalten sollten, dann war es dies eindeutig.
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, das anzuschauen. Politiker soll man nicht an Worten messen, sondern an Taten.
Also 580 Zuschauer vor Ort und 1500 online macht 2080 Interessierte insgesamt, aber nur 1000 haben abgestimmt, sprich "Wahlbeteiligung" von knapp 50%. Hmm .... Vielleicht hatten die "Weißwähler" ja Jolyn Huppertz und mich vermisst.
Das es scheinbar technische Probleme gab bei den Abstimmungen wird einfach ausgeblendet....mal einfach wieder alles so drehen, dass es in sein Weltbild passt wie so oft
Belgien ist auf Staatsebene weiterhin ein Rechtsstaat und Vorbild vor allem für Menschen die wie in der BRD von Rechtsstaat und Demokratie garnichts mehr erfahren.
Rechtsstaat und Demokratie hier zu Lande bedeutet auch das offiziell verbriefte Recht auf Weiss-Wählen zu beanspruchen bei Unentschlossenheit, eventuellem Wahlfrust oder wenn man wie ich ohne Wahlfrust einfach Politisch-Neutral sein will.