Das Thema müsse raus aus der gesellschaftlichen Tabuzone. Darin waren sich alle Abgeordneten im PDG einig. Auch darin, dass jedem einzelnen Betroffenen gezielt geholfen werden müsse - oder besser noch: dass zeitig vorzubeugen sei.
Das Dekret zur mentalen Gesundheit schafft einen gesetzlichen Rahmen für die Versorgung - unabhängig davon, dass der Föderalstaat weiter etwa für die Arbeit der niedergelassenen Psychologen oder die psychiatrische Versorgung zuständig ist. Der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurden durch die sechste Staatsreform unter anderem Angebote wie das begleitete Wohnen oder das psychiatrische Pflegewohnheim überantwortet.
Unterschieden wird im Dekret nach niederschwelligen und organisierten Unterstützungsangeboten - für deren Anerkennung und Bezuschussung die Vorgaben festgelegt werden. Angeregt werden auch neue und innovative Wege wie Tagesbetreuung oder Kurzzeitaufenthalte. "Der Dekretentwurf ist in sich gut und wird auch durch die CSP-Fraktion mitgetragen. Allerdings ist das Dekret lediglich die Voraussetzung dafür, dass die mentale Gesundheit in der DG vorangetrieben wird. Eine Garantie ist damit noch nicht verbunden. Deshalb muss der angesprochene Rahmen unbedingt sehr genau und fortwährend beobachtet werden, damit die Angebote auch tatsächlich nachher vorhanden sind und vor allem auch genutzt werden können", erklärte Robert Nelles für die CSP.
Fraktionsübergreifende Zusammenarbeit
Die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit bei der Annahme des Dekretentwurfs hob auch Lothar Faymonville für die SP hervor. "Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen. Lassen Sie uns weiterhin darauf hinarbeiten, dass das Thema mentale Gesundheit nicht nur heute, sondern auch in Zukunft die nötige Beachtung findet. Bemühen wir uns weiterhin darum, dass Menschen dort abgeholt werden, wo sie auf Hilfe angewiesen sind. Arbeiten wir weiter daran, unsere Gesellschaft auf das Thema aufmerksam zu machen und das Verständnis für unseren Nächsten zu stärken."
Mit Blick auf die Versorgungslücken konnte der Dekretentwurf Inga Voss und die Ecolo-Fraktion nicht überzeugen. Sie stimmte dennoch zu, aus pragmatischen Gründen. "Wir brauchen das Netzwerk für die mentale Gesundheit. Das wird durch dieses Dekret offiziell gegründet. Wir brauchen das Geld, das dadurch vom Föderalstaat an die DG fließt. Dass dieses Geld hier bei uns ankommt, wird durch dieses Dekret gesichert. Deswegen ist Ecolo dafür, weil der Sektor dieses Geld gut einsetzen wird."
Diese Finanzierung sei aber auch ohne das Dekret gesichert worden, korrigierte Minister Antonios Antoniadis. Er unterstrich, dass der Entwurf zusammen mit den Akteuren in diesem Bereich ausgearbeitet worden sei.
Die fraktionslose Jolyn Huppertz kam abschließend auf einige Punkte zurück, die bei der vorausgehenden Anhörung angesprochen wurden, wie unter anderem das Fehlen eines Angebotes für Betroffene, die nicht in der Lage seien, ihr Haus zu verlassen. "Wissen Sie, was ich noch viel erschreckender finde? Ich zitiere kurz aus dem Bericht: 'Die Schaffung neuer Angebote wie einer Tagesstätte könnte zusätzlich dafür sorgen, dass die Wartelisten für andere Angebote verkürzt werden. Die Psychiatrie der Klinik St. Josef habe aktuell 50 Personen auf der Warteliste, die zum Teil in hohem Maße suizidal seien.' Das finde ich ehrlich echt erschreckend. Ich hätte mir gewünscht, dass auch der eine oder andere Kollege darauf eingegangen wäre, statt hier dieses Dekret abzufeiern."
Der Dekretentwurf zur mentalen Gesundheit wurde schließlich mit den Stimmen aller anwesenden Abgeordneten gutgeheißen.
Stephan Pesch