Warum schlägt dem Westen so viel Hass entgegen? Das war Thema eines Kolloquiums, an dem in Bastogne Wissenschaftler, Journalisten und Politiker teilnahmen - bis hin zum ehemaligen Staatspräsidenten François Hollande. Der frühere Oberbefehlshaber der Atommacht Frankreich ließ es sich nicht nehmen, neben ein paar Anekdoten von Treffen auf höchster Ebene auch grundlegende Überlegungen anzustellen - eben zu der Frage, wie sich der Westen verhalten soll: selbstbewusst sein Modell von Freiheit und Demokratie in die Welt tragen oder sich voller Selbstzweifel zurückzuziehen.
Für François Hollande ist die Antwort klar: "Es gibt keine mögliche Zukunft, wenn das, was man den Westen nennt, und das, was ich Demokratie nennen würde, nicht 'auf Eroberung aus' ist, denn es gibt nichts zu erobern, sondern, wenn es notwendig ist: auf Konfrontation, aber auf Dialog und auch auf Teilhabe, damit die Welt den Westen nicht als eine Geschichte, sondern als einen Moment unserer Zukunft ansieht."
Das freiheitlich-demokratische Modell hat für François Hollande auch in seiner Außenwirkung nicht ausgedient und müsse verteidigt werden. Mitunter stehe sich "der Westen" aber selbst im Weg mit seinen inneren Spannungen und Ängsten: "Das Problem des Westens ist nicht der Rest der Welt, sondern der Westen mit all seinen Schwächen, mit einer Demokratie, die ins Wanken gerät, mit Extremen, die zunehmen, mit Kommunitarismus, mit einer Angst vor dem, was die Einwanderung sein könnte. Das ist also das Thema hier", sagt Hollande. "Es geht nicht darum, einfach nur zu schauen, wie man Russland eindämmen kann, das muss man zweifellos tun. China sicherlich, oder das, was der Iran oder der Islamismus auslösen können, wie man derzeit gut sehen kann. Nein, die Antwort liegt in erster Linie bei uns selbst. Sind wir noch in der Lage, unserem eigenen Modell zu vertrauen?"
Neben François Hollande war unter anderem der frühere französische Außenminister Hubert Védrine nach Bastogne gekommen. Auch für ihn behält die europäische Zivilisation und Lebensweise eine starke Anziehungskraft und Ausstrahlung. Sie ließen sich aber nicht einfach exportieren oder aufzwingen. Stattdessen brauche es ein gemeinsames technologisches Zukunftsprojekt als Antwort auf ökologische Herausforderungen wie den Klimawandel.
Organisiert wurde das Kolloquium, das aufgrund der Podiumsteilnehmer sehr stark die Perspektive Frankreichs widerspiegelte, vom früheren israelischen Botschafter in Paris, Elie Barnavi, von Haus aus Historiker und Politologe. Ihm helfen seine guten Kontakte, um ein so hochkarätiges Panel in die belgische Provinz zu locken, auch wenn der eine oder andere schon mal nachfrage: Bastogne - wo liegt das eigentlich? "Ich habe keine Probleme, hochkarätige Referenten zu gewinnen. Die Leute kommen, sie wissen nicht unbedingt vorher, wo Bastogne ist, aber sie kommen", sagt Barnavi. "Und wenn sie erst einmal hier sind, sind sie zufrieden, sie sind begeistert."
Barnavi freute sich darüber, dass neben dem überwiegend "gesetzten" Publikum auch wieder einige Schüler an dem Kolloquium teilgenommen haben. Er teilte im Übrigen den Standpunkt, dass zwar der spürbare Hass von außen gegen die westliche Zivilisation aus den bekannten historischen Gründen wie Kolonialismus und Interventionismus gewachsen sei. Zu einem beträchtlichen Teil komme er aber auch von innen, von schlecht integrierten Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund - und nicht zuletzt aus der Gesellschaft selbst, die an sich zweifele.
"Es gibt natürlich Hass auf den Westen von außen, aus den bekannten historischen Gründen. Aber es gibt auch viele Ressentiments im Inneren, sowohl ideologisch als auch von Seiten der schlecht integrierten Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund", so Barnavi. "Und dann gibt es, wie so oft, eine große historische Zivilisation, die an sich selbst zweifelt und sich ihres Rechts und ihrer Zukunft nicht mehr so sicher ist. Und ich denke, es ist wichtig, darüber nachzudenken, denn in der Bewusstwerdung und dem Hinterfragen liegt bereits ein Anfang der Heilung."
Stephan Pesch
Der "Westen" kann nicht Iran mit neuen Sanktionen bestrafen und Israel alles durchgehen lassen. Diese Doppelmoral einmal als Heuchelei verstanden, erklärt den zunehmenden Unwillen der restlichen Welt...
Der Westen sollte sich doch zuerst um seine eigenen Probleme Zuhause kümmern und nicht anderen Staaten, Völkern und Kulturen versuchen, die eigene Lebens- und Denkweise aufzuzwingen. Jedes Land, jedes Volk soll sich eigenständig entwickeln. Afghanistan, Irak sind doch Beispiele, die zeigen, dass Gewalt kein Mittel ist, um Demokratie einzuführen. Da ist Misserfolg vorprogrammiert. Das beste ist, man macht Geschäfte zusammen. Davon hat jeder etwas.