Am 1. Januar 2020 hat die Deutschsprachige Gemeinschaft von der Wallonischen Region die Raumordnung als neue Zuständigkeit übernommen. Lange hatte man an der Klötzerbahn darum gekämpft. Denn wer eine Region gestalten will, der muss auch festlegen können, wie der Raum genutzt wird. Wie viel Siedlungsfläche brauchen wir? Wie viel Industriezonen? Wo müssen Wald und Agrarflächen erhalten bleiben?
Zunächst sollte eine Strategie her, dann erst wollte man die Gesetzgebung schreiben. Das Architektur- und Stadtplanungsbüro HJP in Aachen sollte diesen Prozess moderieren. Doch schnell stellte sich heraus: Wenn man parallel ein neues Regionalentwicklungskonzept erarbeitet, arbeitet man da nicht doppelt? Und schlimmer: aneinander vorbei? Gestartet wurde letztlich ein gemeinsamer Prozess für jeweils eine Strategie für Raumordnung und eine für Regionalentwicklung.
Entsprechend stellte Projektleiter Frank Pflüger ein multidisziplinäres Team zusammen. Ihnen war wichtig, auch die breite Bevölkerung mit einzubinden - mit offenen Workshops und Social-Media-Befragungen, aber auch konkret vor Ort. "Deshalb gab es 'Ostbelgien mobil'. Wir haben die Idee entwickelt und haben gesagt, wir fahren vier Wochen lang durch Ostbelgien, von ganz im Süden bis ganz im Norden - dorthin, wo die Menschen sind. Wir waren auf Marktplätzen, wir waren vor Sportveranstaltungen, wir waren vor Industriebetrieben und haben gefragt: 'Was sehen Sie 2040 in Ostbelgien für wichtig an?' Und diese sehr niederschwellige Beteiligung hat auch den Prozess sehr, sehr befruchtet."
Ein Film zur Raumordnung wurde beauftragt, mit dem das Team in die Sekundarschulen Ostbelgiens ging. Mit eigens entwickelten Lernmodulen wurde das Prinzip der Raumordnung erklärt. Vor allem aber haben die Akteure mit den Schülern diskutiert, wie man Raumordnung heute gestalten muss, damit sie künftig gut darin leben können. "Da war schon erkennbar, dass Schülerinnen und Schüler sehr wohl wissen, dass ihre Zukunft letztendlich auch davon abhängt, wie sich die Infrastruktur weiterentwickeln wird, wie das Gesundheitswesen oder auch der Raum. Wie werden sich die Umweltbedingungen entwickeln? Also, mit diesen ganzen Themen haben wir relativ schnell Zugang gefunden, weil wir alle haben ja gemerkt, dass wir in unruhigen Zeiten leben und dass es sicherlich richtig ist, über die Zukunft nachzudenken."
Der Prozess ist erst einmal abgeschlossen. Für Donnerstagabend hat die Deutschsprachige Gemeinschaft zur Regionalkonferenz geladen und wird die neun Leitziele vorstellen. Nach der Wahl sollen diese in konkrete Projekte übersetzt werden. Auch diese Konkretisierung soll mit einem Beteiligungsprozess weiter begleitet werden.
Für Frank Pflüger ließen sich die Themen Raumordnung und Regionalentwicklung gut unter einen Hut bringen. Denn regionale Entwicklung geht nur mit einer sozial- und umweltgerechten Aufteilung von Raum und Raumansprüchen. "Was mich am meisten beeindruckt hat, war das Engagement, das alle Beteiligten an den Tag gelegt haben, um dafür zu ringen, zu arbeiten, eine tragfähige Zukunft zu entwickeln. Da kann ich auch aus langjähriger beruflicher Erfahrung sagen, dass es wenige Regionen gibt, die so ernsthaft und zielgerichtet an ihrer Zukunft arbeiten. Das hat mich stark beeindruckt. Mich haben natürlich auch die Menschen, die ich getroffen habe, sehr beeindruckt. Und ich finde es auch toll, wie die Menschen in Ostbelgien sehr optimistisch und zukunftsorientiert auch mit uns diskutiert haben."
Michaela Brück