Die "EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur" zielt darauf ab, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen in der EU zu renaturieren. Bis 2050 sollen alle geschädigten Ökosysteme wiederhergestellt sein. Wiederherstellung deshalb, weil in den vergangenen Jahrzehnten die Biodiversität und die Artenvielfalt deutlich gelitten haben. Die Verordnung enthält daher verbindliche Ziele für alle Ökosysteme in Europa. Dazu gehören Wälder und landwirtschaftliche Flächen, aber auch städtische Gebiete, Flüsse und das Meer. Ja, Europa soll wieder wilder werden.
Es bedeutet aber eben auch: weniger Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in der Landwirtschaft. Bauernverbände waren zunächst Sturm gelaufen gegen die Verordnung. Unterstützung hatten sie von der konservativen Fraktion im EU-Parlament erhalten, der auch der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont angehört. Die heutige Vorlage nimmt mehr Rücksicht auf die Landwirte, sagt Arimont. Er habe sie daher nicht abgelehnt. Zustimmen konnte er aber auch nicht, denn "was mir aber fehlt und das ist der Grund, weshalb ich am Ende nicht 'Ja' gestimmt habe, ist, dass man in dem Text nicht gesagt hat und nicht definiert hat, wie man Projekte zum Schutz der Artenvielfalt finanzieren will. Ich kann 1.000 schöne Sachen in ein Gesetz schreiben, wenn ich daneben nicht zeige und sage, wer das wie finanziert, nützt das alles nichts".
Offen bleibt also, wer die Kosten für Renaturierungsmaßnahmen übernimmt - etwa auf Privateigentum. Auch andere Fragen bleiben noch zu klären. Das ist nun den EU-Mitgliedsstaaten überlassen. "Es wird dennoch die Frage sein, wie wir am Ende des Tages mit diesem entscheidenden Element umgehen. Wie kombinieren wir Artenvielfalt, Bautätigkeit, Industrietätigkeit, landwirtschaftliche Tätigkeit. Aber das macht man mit der Industrie und mit der Landwirtschaft. Der Nachteil dieses Textes hier war, dass man mit diesen Leuten überhaupt nie gesprochen hat. So, wir haben jetzt eine Entscheidung, da ist sehr vieles sehr flexibel angelegt. Und da wird man dann diese Fragen, 'wie macht man das mit Bauland zum Beispiel?', die wird man danach erst beantworten müssen."
Die Kritiker sagen: flexibel, das ist gleichbedeutend mit "wird gar nicht umgesetzt". Dennoch stellt die Verordnung eine Verpflichtung dar, sagt Arimont. Die Mitgliedsländer müssen sie umsetzen, können aber die Maßnahmen anpassen. "In Belgien wohnen rund 370 Leute pro Quadratkilometer und in Finnland nur 19, um mal zwei Zahlen zu nennen. Das ist eine andere Situation. In Belgien ist Land viel weniger verfügbar als in anderen Staaten. Also muss man Artenvielfalt auch anders definieren. Und genau dieser flexible Ansatz, der steht jetzt im Text drin."
Nur ein gesundes Ökosystem ist auch ein produktives Ökosystem. Das weiß auch der Landwirt. Deshalb muss die Landwirtschaft jetzt in die Ausarbeitung der Verordnungen einbezogen werden, findet Arimont. "Das sind auch Leute, die sehr naturverbunden sind, die vielleicht die viel bessere Lösung haben als irgendjemand, der so einen Text in seinem Büro in Brüssel schreibt. Deswegen plädiere ich sehr dafür, dass man mit diesen Leuten spricht, dass man sie mit an den Tisch nimmt, um Lösungen zu finden. Ich glaube, das sind dann die viel klügeren Lösungen, die viel einfacheren Lösungen, die vermutlich auch viel weniger kosten, als alles, was man mit Verboten und Auflagen jetzt versucht zu tun. Und das ist, glaube ich, die Art und Weise, wie man mit den Landwirten umzugehen hat."
Gudrun Hunold