Das Rote Kreuz ist eine weltweit tätige Hilfsorganisation. Auch vor Ort in Ostbelgien organisiert das Rote Kreuz Unterstützung für diejenigen, die sie brauchen. Blutspenden etwa oder Lebensmittelbanken, aber auch die Katastrophenhilfe, wie zuletzt nach der Flutkatastrophe in Eupen. Wenn also der Vorstand der Lokalsektion Eupen-Lontzen fast vollständig zurücktritt, dann lässt das aufhorchen.
Stein des Anstoßes für den Rücktritt im April diesen Jahres war die Suspendierung von Mitgliedern der Lokalsektion, "weil wir festgestellt haben, dass es Rassismus und Diskriminierung gab bei der Handhabung der Ausgabe der Lebensmittel", erklärt die ehemalige Vorstandsvorsitzende Christiane Sarlette. "Wir haben das über einen Zeitraum beobachtet, haben auch versucht, das einzudämmen, was aber nicht möglich war. Da hat der Vorstand beschlossen, einige Personen komplett zu suspendieren und einmal teilweise zu suspendieren."
So etwa ließ man die Kunden der Lebensmittelbank im Regen warten oder verpflichtete sie zum Tragen von Mundschutzmasken, während die Mitarbeiter in der Lebensmittelausgabe die Maske verweigerten. "Ich denke da an die Nutznießer. Die wurden ja teilweise im Regen stehen gelassen, nicht sehr nett behandelt, abwertend behandelt", erzählt Manuela Haas, ehemalige Bereichsleiterin der Second-Hand-Boutique des Roten Kreuzes in Eupen.
Ein Vorwurf, den eine Untersuchung nicht untermauert, sagt dagegen der ostbelgische Gemeinschaftspräsident, Dr. Kurt Hoffmann. "Wir haben eine intensive Untersuchung durchgeführt, sogar die wallonischen Kollegen gebeten, diese zu machen, um Neutralität zu gewährleisten. Ich habe jetzt einen Bericht von 15 Seiten bekommen. Da sind klare Defizite in der Organisation des Roten Kreuzes genannt worden. Der Vorwurf, dass da Leute benachteiligt oder diskriminiert werden, konnte nicht gefestigt werden."
Die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Lokalsektion Eupen-Lontzen sagen, die Suspendierung der Mitglieder wurde von einem Juristen formuliert - auf Grundlage der Regeln, wie sie auf der Internetseite des Roten Kreuzes veröffentlicht seien. Die suspendierten Mitglieder haben sich an Kurt Hoffmann in seiner Funktion als Gemeinschaftspräsident gewendet. Der hob die Suspendierung auf. Obwohl er sie zuvor selbst vorgeschlagen hatte.
"Wir hatten sogar eine Suspendierung empfohlen in den Gesprächen, die wir mit dem Vorstand vorab hatten", berichtet Hoffmann. "Dann muss man aber auch sagen, das Rote Kreuz hat ein Regelwerk. Da wird die Suspendierung auch geregelt. Das heißt, bei einer Suspendierung müssen bestimmte Formsachen eingehalten werden. Es müssen Gespräche geführt werden, erste Abmahnung, solche Sachen. So eine Suspendierung von drei Monaten aussprechen geht nicht. Dann ist jetzt die Frage, hat es eine Suspendierung gegeben, wenn sie nicht regelkonform war, oder hat sie keinen Bestand? Welche Wahl hatte ich denn? Keine."
Allerdings hat der Gemeinschaftspräsident es versäumt, den damaligen Vorstand über die Aufhebung der Suspendierung zu informieren. So waren die wieder eingesetzten Mitglieder bald zurück in der Lebensmittelhilfe - zur Überraschung der Vorstandsmitglieder.
"Als dann diese Suspendierung aufgehoben wurde, wurden die Leute, die den Ersatz gemacht haben, von jetzt auf gleich vor die Tür gesetzt", so Christiane Sarlette. "Unter anderem ein Mitglied, das schon seit 36 Jahren im Roten Kreuz ist. Dem wurde von jetzt auf gleich gesagt: Dich brauchen wir hier nicht mehr."
Der Gemeinschaftspräsident vermutet, dass sich tragende Mitglieder in Eupen schlicht mit den Krisen der letzten Jahre übernommen haben. Besser wäre es gewesen, die Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen. Die Lokalsektion sagt, dass sie zu wenig Unterstützung erhalten habe, dass man ihr in den Rücken gefallen sei. Dabei könnte es so einfach sein. Bei den Werten nämlich sind sich alle Parteien einig: "Menschlichkeit, sag ich mal. Wir helfen jedem in Not. Und das in unparteiischer Weise. Das heißt, egal welcher Rasse, welchen Alters, welcher Herkunft", so Hoffmann. "Wenn ich Menschen helfen will, dann helfe ich jedem. Egal, welche Hautfarbe, egal welche Religion. Auch in so einer Gemeinschaft, muss man die Mitglieder unterstützen", findet Manuela Haas.
Gudrun Hunold
Und was jetzt?