Es hat nach Einsetzung des ersten RdK (später: RDG - Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft) vor 50 Jahren noch über zehn Jahre gedauert, bis die ersten weiblichen Abgeordneten am Eupener Kaperberg einen festen Platz einnahmen. Erst 1986 zog Marie-Hélène Düsseldorf als die erste weibliche Abgeordnete in den RDG, die diese Funktion während einer ganzen Legislatur ausübte. Die konstituierende Sitzung an jenem 11. November 1986 wurde denn auch wie folgt eröffnet: "Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrte Kollegen, das ist das erste Mal, dass wir diese Begrüßung gebrauchen können". Wenig später legte Marie-Hélène Düsseldorf ihren Eid ab.
Da war sie nun: 24 Männer und eine Frau. Nicht nur für sie selbst ungewohnt, erinnert sich Marie-Hélène Düsseldorf. "Das war im ersten Moment ein bisschen befremdend, auch für die Kollegen. Der Präsident musste immer begrüßen mit: 'Werte Kollegin, werte Kollegen!'. Das waren sie so nicht gewohnt. Aber Rücksicht hat man nicht darauf genommen. Das wollte ich auch gar nicht. Ich war gewählt wie jeder andere, war keine Quotenfrau, sondern habe den dritten Platz bekommen. Ich bin gewählt worden und musste meine Arbeit machen, wie die Männer auch. Da gab es überhaupt keinen Unterschied."
Zumindest hatte sie ihre eigene Toilette - und schnell einen Spitznamen: "die Dame in Blau". Verliehen vom Chefredakteur des damaligen "Report". Überhaupt: Die Presse nahm die erste weibliche Abgeordnete sehr unterschiedlich auf. "Die jüngeren Presseleute waren ganz begeistert. Die versuchten einen auch zu unterstützen, wenn man irgendwie mal Informationen von der Deutschen Presseagentur haben wollte oder so. Es waren eher die älteren Herren, die nicht so ganz damit einverstanden waren. Dann knurrte einer einem so in den Rücken: 'Frauen gehören in die Küche und nicht hierher'. Das war halt eine andere Generation."
Die schlimmste Wahlkampfveranstaltung, sagt Marie-Hélène Düsseldorf, sei die mit einer Frauenorganisation in Eupen gewesen. Da sei es nicht um Themen gegangen, sondern sehr persönlich geworden. Viele Stimmen von Frauen habe sie 1986 nicht bekommen, glaubt sie heute.
Ihre Hoffnung ist, dass sie als weibliche Abgeordnete im RDG einen Anfang gemacht hat. "Und beim Rausgehen habe ich mich gefragt: Was hast du bewirkt? Da muss man schon lange überlegen. Aber vielleicht hat manche Frau so für sich gedacht: 'Na, wenn die das kann, kann ich das auch'. Dass der Weg vielleicht einfacher wurde, weil eine es mal gemacht hatte und ein bisschen vorgezeigt hat, dass es geht und dass es auch gut gehen kann. Dass andere vielleicht angespornt wurden, es auch zu machen. Wenn ich das geschafft habe, dann war es schon sehr viel."
Gudrun Hunold