Über die Ereignisse wird am Dienstagabend im Kloster Heidberg in Eupen diskutiert. Die Iran-Aktivistin Daniela Sepehri hält dort im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Ostbelgien Fokus" einen Impulsvortrag. Dogan Malicki hat im Vorfeld mit der Deutsch-Iranerin gesprochen.
Was ist nach dem Tod von Jina Mahsa Amini passiert?
In den letzten vier Jahrzehnten hat es immer wieder Femizide im Iran gegeben. Der Tod von Jina Mahsa Amini hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Viele Menschen waren bei ihrer Beerdigung anwesend und plötzlich entwickelte sich eine Protestveranstaltung. Frauen haben sich das Kopftuch vom Haar gerissen und "Frau, Leben, Freiheit" gerufen. In den Tagen und Wochen danach sind Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten auf die Straßen gegangen und haben protestiert. Mittlerweile sind mehr als 600 Menschen gestorben und es gibt mehr als 22.000 politische Gefangene. Was wir im Iran sehen, ist eine Revolution.
Wie sieht die Situation aktuell im Land aus?
Momentan werden sehr viele Angehörige von Inhaftierten und Getöteten festgenommen. Die Eltern von Jina Mahsa Amini durften am Jahrestag nicht an das Grab ihrer Tochter. Sie wurden unter Hausarrest gesetzt. Viele weitere Jahrestage von Getöteten stehen nun an. Wir haben gesehen, dass sich schnell aus Beerdigungen oder Trauerfeiern Proteste entwickeln können. Das Regime möchte jetzt um jeden Preis verhindern, dass neue Proteste entstehen. Viele Menschen spüren noch immer große Wut und lassen sich trotz der Repressionen nicht unterkriegen. Ganz vorne dabei sind die Frauen. Viele von ihnen gehen ohne Kopftuch nach draußen, obwohl das Regime gerade die Gesetze verschärft hat. Das Regime hat die Zukunft des Landes komplett verloren.
Wie geht es nun ein Jahr nach dem Tod von Jina Mahsa Amini weiter?
In den nächsten Wochen und Monaten stehen viele Jahrestage von Menschen an, die ermordet und hingerichtet worden sind. Das wird für massive Proteste sorgen. Auch am Jahrestag von Jina Mahsa Amini gab es Proteste, obwohl das gesamte Land stark militarisiert ist. Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten sehen werden, dass es wieder Proteste gibt. Die Wut bei den Menschen kann jeden Moment ausbrechen. Vor allem die Bundesrepublik muss nun politische Maßnahmen ergreifen, um die Zivilgesellschaft zu unterstützen.
mit/dog
Fragen an die Frau Sepehri :
Haben die Sanktionen des Westens das Regime der Mullahs geschwächt ? Oder sitzen sie gerade wegen der Sanktionen fester im Sattel und nur die Bevölkerung leidet unter den Sanktionen ?
Gibt es eine organisatorierte Oppositionsbewegung, die in der Lage wäre, die Regierung zu übernehmen ? Oder ist die Opposition eher ein bunter unorganisierter Haufen Menschen, die nur einen gemeinsamen Gegner, die Mullahs, haben ?
Gibt es innerhalb des Régimes auch Machtkämpfe und Meinungsverschiedenheiten?