Tobias Schneider hat noch eine sehr lebendige Erinnerung an die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021. "Die Zerstörungen waren exorbitant und sind es zum Teil immer noch. Die Akten des Stadtarchivs waren insbesondere in dieser Nacht auch das kleinste Problem. Das größte Problem war natürlich, dass wir aktiv Menschenleben retten mussten."
Es blieb am Ende auch in Stolberg bei der enormen Zerstörung von Infrastruktur und Gebäuden wie Privatwohnungen, Schulen, Kindertagesstätte - und dem Arbeitsplatz von Tobias Schneider, dem Rathaus. Im dortigen Keller lagerte das Stadtarchiv von Stolberg.
"Alles weg"
"Wir haben einen kompletten Totalschaden, was das Archiv angeht. Es wurden während der Hochwasserkatastrophe noch ganz wenige Akten gerettet von unserem sehr engagiert Stadtarchivar, mit noch einigen Helfern. Aber das war wirklich nur ein marginaler Anteil von Dokumenten, die wir da retten konnten. Ansonsten ist sowohl aus dem historischen Archiv, also sprich Dokumente, die einen interessanten Blick in die Stadtgeschichte geben, als auch aus dem Zwischenarchiv, also dem Archiv der Verwaltung, Bauakten, Nachweise über Staatsangehörigkeit, alles mögliche - alles weg."
Das bedeutet aber eben auch für Bürger: ob der Anbau oder gleich das gesamte Gebäude eine Baugenehmigung hatte, kann die Stadt derzeit nicht belegen. Der Nachweis der Staatsangehörigkeit: bei der Stadtverwaltung nicht verfügbar. Beziehungsweise: eingefroren.
Hilfe aus Köln
"Das haben wir nach der Flut, auch dank der Hilfe vieler engagierter Ehrenamtlicher geschafft: Da erinnere ich mich auch noch an schöne Bilder, wie wir gemeinsam vor dem Archiv gestanden haben, die Akten grob gereinigt und dann mithilfe der Feuerwehr Köln der Gefrierung zugeführt haben. Die Feuerwehr Köln hat da ja auch schon leidliche Erfahrungen gemacht und hatte daher, auch extra dafür schon eigene Container."
Das historische Stadtarchiv Köln hat in der Tat Erfahrung im Umgang mit der Überflutung von Dokumenten: 2009 war das Gebäude nach Arbeiten an der Stadtbahn eingestürzt. Damals waren große Mengen an Wasser und Erdreich in die Baugrube eingebrochen. Davon konnte Stolberg profitieren.
Vorsichtig auftauen
Nun also ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Die Ausschreibung zum Auftauen der archivierten Dokumente kann bald erfolgen. 40 Millionen Euro wird es die Stadt kosten, diese wieder "aufzutauen". Wobei Tobias Schneider korrigiert: "Auftauen" ist natürlich nicht ganz korrekt. "Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Akten jetzt aus dem Tiefkühler geholt, zwei Stunden in die Sonne gestellt werden und dann ist es fertig. Das würde die Akten zerstören. Es ist vielmehr so, dass die Akten vakuumgefriergetrocknet werden. Das heißt, sie werden in einen speziellen Raum gefahren, wo ein Auftauen funktioniert, ohne dass im Zwischenschritt Wasser entsteht. Wasser und Papier - das würde nicht gut enden. Das kann nur in kleinen Mengen gemacht werden. Deswegen dauert es auch so lange und kostet so viel."
Die unzähligen Paletten, die derzeit eingefroren sind, können eben nur nach und nach aufgetaut werden. Es wird Jahre dauern, bis auch die letzte Akte zurück ist im Stadtarchiv von Stolberg.
Gudrun Hunold