Der Drahtzug dreht wieder, das Kabelwerk ist zurück auf dem Weltmarkt. Von der großen Flut im Juli 2021 ist kaum mehr etwas zu sehen. Die Produktion läuft wieder zu 85 Prozent. Und es gab einen dicken Auftrag: Infrabel, der belgische Schienennetzbetreiber, hat im Januar für mehr als 13 Millionen Euro Stromkabel bestellt.
"Mit Infrabel finden wir einen Kunden zurück, der eine lange Tradition hat, mit uns zu arbeiten", freut sich Hermann-Josef Bernrath, Generalsekretär im Eupener Kabelwerk. "Wir haben aufgrund der Überschwemmungen die ganzen Bestellungen kündigen müssen, 'höhere Gewalt' anwenden müssen. Das heißt, Infrabel hat sich anders orientieren müssen und andere Lieferanten suchen müssen. Mit Vorteilen und Nachteilen bei den Preisen, die man nicht kennt. Und wenn Infrabel nach zwei Jahren mit einem großen Vertrag zu uns zurückkehrt, ist das eine tolle Sache."
Insgesamt liefert das Kabelwerk 800 Kilometer Kabel an Infrabel. Ein Auftrag mit Symbolkraft. Grund genug für die Spitzen der wallonischen Politik, in Eupen vorbeizuschauen. Es gab viele lobende Worte. Auch vom Ministerpräsidenten der Französischen Gemeinschaft, Pierre-Yves Jeholet.
"Die Eupener können heute stolz sein. Die Wallonen können heute stolz sein. Denn hier gibt es viele Talente. Das Kabelwerk genießt einen sehr guten Ruf. National und international finden die Kompetenzen dieser Firma Anerkennung", unterstreicht Jeholet.
"In der Wallonie spricht man oft davon, was nicht gut geht. Man soll auch mal davon reden, was gut läuft. Und heute kann man stolz darauf sein, was diese Firma nach dem Drama von 2021 wieder geworden ist."
Für den Ministerpräsidenten der DG, Oliver Paasch, ist das Kabelwerk ein Motor der hiesigen Wirtschaft. Dass das Kabelwerk jetzt wieder aufgebaut worden ist, sei wichtig für die gesamte DG, sagt Paasch. "Ich bin seinerzeit mit Alexander De Croo und auch mit Willy Borsus ungefähr durch dieselben Hallen wie heute gegangen. Ich habe Mitarbeitende weinen gesehen."
"Mitarbeiter, die sich die Frage gestellt haben, ob dieses Unternehmen jemals wieder aufgebaut werden könne. Es sah furchtbar aus und zwei Jahre später stehen wir hier wieder in einem florierenden Unternehmen."
Stolz kann das Kabelwerk sein. Das hört man an diesem Vormittag immer wieder. Und auch das kommt immer wieder: der große Dank an die 850 Mitarbeiter. Erich Thönnes erinnert sich an die Tage der Flut. Der bald 91-Jährige ist seit mehr als 60 Jahren auch heute noch im operativen Geschäft.
"Das Wichtigste war wohl, dass alle Mitarbeiter geblieben sind und mitgezogen haben und so gerabeitet haben, als wäre es ihr Werk, ihre Arbeit und ihr Zuhause. Wir haben nie gedacht, wir hören auf. Wir wussten von vorneherein, das wir weitermachen. Es gab keine andere Lösung. Im Leben macht man immer weiter", so Thönnes.
Drei Meter stand das Wasser hoch. So gut wie alles war voller Schlamm. Im Maschinenpark mussten alleine 7.000 Motoren ersetzt werden. Der 13-Millionen-Euro-Auftrag gibt allen Hoffnung. "Es ist gut, dass es weiter geht. Wir haben alle dafür gekämpft. Wir sind auch froh, dass das Kabelwerk auch so viel für uns getan hat. Dass wir alle bleiben konnten. Keiner wurde hängengelassen", erklärt Maschinenführer Michael Thomassen.
Der Gesamtschaden der Flut umfasste mehr als 100 Millionen Euro. Das Geld aus dem Katastrophenfonds ist bis heute nicht komplett ausgezahlt. Das Kabelwerk hofft auf 40 Millionen Euro. Das fehlende Geld für den Wiederaufbau wurde bis dato mit Banken gestemmt. Jetzt geht es darum, weiter nach vorne zu schauen.
Ein neuer Standort ist noch nicht vom Tisch, sagt Generalsekretär Bernrath. "Das ist ein Prozess über Jahrzehnte. Wenn wir also ein zusätzliches Terrain finden würden, was nicht so nah am Wasser gebaut und groß genug ist, ist das eine Sache, die wir noch immer im Auge halten."
Es geht also weiter. Mit 2.000 Kunden in 65 Ländern. Kabel aus Eupen sind eine Referenz. Infrabel-Chef Benoit Gilson freut sich über die Zusammenarbeit: "Die Partnerschaft mit dem Kabelwerk ist etwas Besonderes. Zum einen ist es emotional, weil das Kabelwerk von den Fluten fast zerstört worden ist. So wie auch unser Schienennetz. Somit haben wir dasselbe Leid erfahren, aber auch eine Wiederauferstehung."
"Seit 30 Jahren ist das Kabelwerk ein wichtiger Partner für uns. Sie können uns so gut wie alle Kabel liefern, die wir bei Infrabel nutzen. Außerdem ist es ein tolles Familienunternehmen. So etwas lieben wir." Zum Schluss gibt Hermann-Josef Bernrath ein Bier aus. Es wurde eigens für das Kabelwerk gebraut und trägt den Namen "Renaissance" - Wiedergeburt.
Simonne Doepgen