Rund 20 Handlungsempfehlungen haben die Bürger ausgearbeitet. Unterschiedliche Schwerpunkt wurden gesetzt, unter anderem Integration durch Sprachförderung, Integration in der Schule oder auch Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt. "Mir lag vor allem am Herzen, dass die Zuwanderer in den Arbeitsmarkt integriert werden können", betont Robert Königs. "Unsere Region ist ja auch vom Fachkräftemangel betroffen. Und ich bin mir sicher, dass viele dieser Leute gewillt und fähig sind, uns in diesem Bereich zu helfen.
Es war die fünfte Bürgerversammlung. Bei jeder davon haben nicht nur die Ausgelosten, sondern auch die Organisatoren der Bürgerversammlung etwas Neues dazugelernt. Immerhin ist die Bürgerversammlung noch ein Pilotprojekt, erklärt Anna Stuers, die ständige Sekretärin des Bürgerdialogs.
Stuers betreut die Bürgerversammlung. "Es ist sehr schwierig, weil die Teilnehmergruppe sehr gemischt ist. Hier kommen wirklich die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Wir wussten also nicht, wer welche Informationen aufnimmt oder wer sich für welche Informationen interessiert. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, so viele Informationen wie möglich anzubieten und es der Teilnehmergruppe zu überlassen, was sie daraus mitnimmt und was nicht."
Sehr viel mitgenommen und gelernt hat jedenfalls Arnold François. Er ist froh, dass er ausgelost wurde. "Ich war in der Gruppe 'Schule'. Ich finde es wichtig, wenn Kinder mit Migrationshintergrund hier ankommen, dass sie sehr gut betreut werden. Sie müssen eine Sprache lernen, aber die Eltern haben eventuell Sprachprobleme. Da haben wir sehr viel drüber diskutiert."
Unter anderem hat Ministerpräsident Oliver Paasch die Handlungsempfehlungen entgegengenommen. Er lobte, wie alle anderen anwesenden Politiker auch, dass sich die Teilnehmer mit dem Thema Zuwanderung auseinandergesetzt haben - keine einfache Sache. Der Ministerpräsident hob auch die Bedeutung der Bürgerversammlung hervor. "Wir erleben gerade überall in den westlichen Demokratien, auch hier bei uns in Ostbelgien, dass der Graben zwischen Bürgern und Politikern immer größer wird."
"Umfragen zeigen, dass das Misstrauen gegenüber politischen Ämtern, aber auch gegenüber politischen Entscheidungsfindungen immer größer wird. Das ist eine Gefahr für unsere liberale Demokratie. Als Politiker haben wir jedes Interesse daran, die Demokratie zu stärken. Ich glaube, dass die Bürgerversammlung einen Beitrag dazu leisten kann."
Es wird sich zeigen, ob und wie viele der Handlungsempfehlungen die Politik übernehmen wird. Klar ist: Falls eine Handlungsempfehlung in Zukunft nicht umgesetzt wird, dann muss die Regierung ihre Entscheidung in einem öffentlichen Ausschuss begründen.
Dogan Malicki
Neben der Aufgabe, Zuwanderer in die Gesellschaft zu integrieren, stellt sich immer mehr auch bei uns die Frage, wieviel Zuwanderung eine Gesellschaft u.a. auch aus Identitätsgründen “verkraften” kann. Dieser „unangenehmen“ Frage wird m.E. viel zu wenig Beachtung geschenkt oder sie bewusst verdrängt. Viele Menschen haben längst den Eindruck, das „Fass sei voll“ oder sind mit der demographischen Entwicklung einfach nur überfordert. Auch dadurch entsteht eine Gefahr für die Demokratie und/oder Auftrieb für demokratiefeindliche, populistische politische Gruppierungen.
Wenn man beobachtet, dass es nicht nur in Ballungsräumen sondern auch bei uns erhebliche Segregationstendenzen gibt, die die Integration nicht nur erschweren, sondern bisweilen unmöglich machen, ist Integration tatsächlich kein Selbstläufer sondern bedarf gezielter Anstrengungen und… Bereitschaft von allen Akteuren.
(Segregation: Trennung von Bevölkerungsgruppen aus religiösen, ethnischen oder sozialen Gründen.)