Sorge machen dem Ornitologen Gerhard Reuter von der Naturschutzorganisation Aves Ostkantone die vielen heimischen Vögel. 60 verschiedene Arten sind im Venn zuhause. Sie leiden unter dem Feuer ganz besonders. "Ja, das Feuer ist in einem Moment ausgebrochen, wo es für die Vögel nicht so günstig ist. Weil die Vögel mitten in ihrem Brutgeschäft drin sind. Das heißt: Sie haben Nester gebaut, einige füttern bereits Junge. Andere sitzen noch auf den Eiern. Andere sind schon ausgeflogen. Aber trotzdem sind wir mitten in der Periode drin und für die Vögel ist das schon ein größeres Problem."
Bodenbrüter, aber auch Insekten und Reptilien sind bei einem Feuer in großer Gefahr. Das vom Aussterben bedrohte Birkhuhn ist von diesem Brand im Bereich Entenpfuhl wohl kaum betroffen. "In diesen Bereichen sind keine Birkhühner mehr vorhanden. Die haben sich in andere Gebiete des Hohen Venns zurückgezogen."
Es ist vor allem das Pfeifengras, das die Brandgefahr aktuell so ansteigen lässt. Der Frühling setzt sich nur zögerlich durch. Die trockenen Halme vom letzten Winter prägen weiterhin die Landschaft. "Das frische Grün hängt noch ein bisschen hinten dran. Wenn das Grüne mal da ist, ist die Brandgefahr geringer. Aber das haben wir im Moment noch nicht. Und jeder Funke kann so einen Brand verursachen. Das Venn kann zu diesem Zeitpunkt sehr gefährlich werden. Deshalb auch die roten Fahnen, die gehisst werden, um die Brandgefahr so gering wie möglich zu halten."
Ein Vergleich mit dem letzten großen Feuer aus dem Jahr 2011 kann kaum gezogen werden. Damals war der Boden bedeutend trockener und für die Vogelwelt waren die Auswirkungen nicht so schlimm. "Also damals, das war Ende April. Da hatten einige Vogelarten schon gebrütet. Aber der Zeitpunkt war noch eben sehr früh, und viele Vogelarten konnten Ersatzbruten machen oder weil sie noch nicht mit ihrem Brutgeschäft begonnen hatten, blieben den Vögeln ganz andere Möglichkeiten, als es jetzt der Fall ist."
Dabei muss ein Feuer nicht immer schädlich sein. Feuer wird sogar zur Landschaftspflege eingesetzt. "Ja, in einigen Gebieten wird kontrolliert abgeflemmt. Und das ist ein Pflegefaktor. Nur ist der Begriff kontrolliert im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen. Die Windbedingungen müssen stimmen. Der Zeitpunkt muss stimmen. Und die Rahmenbedingungen auch, sodass man jederzeit eingreifen kann. Aber mit viel Erfahrung gelingt das kontrollierte Abflemmen in einigen Gebieten hier in Ostbelgien auch recht gut."
Die roten Fahnen sind an den Eingängen zum Naturschutzgebiet gehisst. Das bedeutet, dass der Zugang absolut verboten ist. Und das Wehen der Fahnen zeigt auch ganz klar: Der Wind erschwert die Löscharbeiten. In den nächsten Tagen ist kein Regen vorhergesagt. Für Touristen ist das eine gute Nachricht, für die Natur weniger. "Ostbelgien genießt ja einen hohen Stellenwert. Das Problem ist die hohe Konzentration an Besuchern, aber auch die Disziplin. Und sollte sich herausstellen, was ja sehr wahrscheinlich ist, dass das Feuer durch Unachtsamkeit entstanden ist, haben wir ein Problem, weil die Gefahr unterschätzt wird. Es muss noch viel Aufklärungsarbeit gemacht werden. Es muss nicht unbedingt ein Lagerfeuer sein. Auch eine Zigarettenkippe kann einen Brand entfachen. Eine Zigarette gehört nicht ins Hohe Venn."
Am Parkplatz Nahtsief kommen immer wieder Polizei, Zivilschutz und Feuerwehr an. Noch immer sind rund 100 Einsatzkräfte im Venn. Touristen und Wanderer werden weggeschickt. Im Staub liegt ein frischer Zigarettenstummel. Unverbesserliche gibt es immer wieder.
Erster Vennbrand 2023 als Warnung - Lage ist unter Kontrolle
Simonne Doepgen